Essen. . Michael Zühlke, ein Kind des Essener Nordens, ist Bürgermeisters des Bezirks VI, der nach Zollverein benannt ist. Er weiß: Dieses Etikett zieht.
Aufgewachsen ist Michael Zühlke auf dem Erlenkampsweg – quasi im Schatten der mächtigen Kokereischlote. „Wenn man einen Baum anfasste, hatte man schwarze Hände“, erinnert sich der 56-Jährige an seine Kindheit. Seitdem ist viel passiert: die Stilllegung von Zollverein und der Aufstieg zum Welterbe. Seit acht Jahren bekleidet der SPD-Mann den höchsten Kommunalposten, den Stoppenberg, Katernberg und Schonnebeck zu vergeben haben. Zühlke ist Bürgermeister des Bezirks VI, der seit 2013 den Namen der berühmten Zeche trägt: Zollverein.
Der Politiker, bodenständig und kein Lautsprecher, rückt erst auf Nachfrage damit heraus, wer die Umbenennung angestoßen hat. „Es war meine Idee“, sagt er. Der Rat war einstimmig dafür, aber in der Bevölkerung habe er ein Murren verspürt. Typisch Ruhrgebiet eben: Man fühlt sich zuerst als Stoppenberger oder Katernberger und erst danach als Essener. Für Zollverein schien da gar kein Platz.
Steiniger Weg mit Zickzack-Linien
So haben sie die alten Stadtteilnamen beibehalten und Zollverein als Markenzeichen einfach darüber gezogen. Zühlke hatte längst begriffen, wie sehr das werbewirksame Etikett „Zollverein“ zieht. „Mit Zollverein haben wir ein Alleinstellungsmerkmal“, sagt er, „nicht ohne Grund ist der Doppelbock das Wahrzeichen des Ruhrgebiet.“
Vom Pütt zum Besuchermagnet – das sei ein anstrengender Weg gewesen, oft in Zickzack-Linien. Schon als junger Kommunalpolitiker hat sich Zühlke in den Tagen nach der Stilllegung vor genau 30 Jahren für „die schönste Zeche der Welt“ engagiert: auf Bürgerversammlungen seiner Partei oder später in den Workshops der Bauhütte.
Menschen wünschten sich erfolglos ein Bürgerzentrum
Zollverein schüttete in mehr als 130 Jahren Kohlenförderung immensen Wohlstand über die umliegenden Stadtteile aus, trotzdem sei es nicht einfach gewesen, sich den stillgelegten Giganten neu anzueignen. „Wir hätten gerne ein Bürgerzentrum auf Zollverein gehabt, aber etliche unserer Anregungen sind damals leider nicht aufgenommen worden.“
Zühlke, früher Gewerkschaftsfunktionär und jetzt Unternehmensberater, wohnt immer noch nahe der Kokerei. Sein Bürgermeisterbüro hat er im ersten Stock des ehrwürdigen Stoppenberger Rathauses, eines stattlichen wilhelminischen Gründerzeitbaus aus rotem Backstein, der den atemberaubenden (und bergbaubedingten) Aufstieg Stoppenbergs zur größten Landgemeinde Preußens symbolisiert.
Der historische Ratssaal mit den Gemälden der Bürgermeister aus der Preußen-Ära erinnert an die Selbstständigkeit Stoppenbergs, die erst 1929 zu Ende ging. Hier, unter den Augen honoriger Bürgermeister wie Carl Meyer (1891-1924), veranstaltet Zühlke seit Jahren mit verschiedensten Akteuren Ratssaal-Gespräche zu Zollverein. „Zollverein ist etwas Einmaliges und für unsere Stadtteile eine Riesenchance, wir sind auf einem guten Weg.“
Projekt für die Grüne Hauptstadt
Nun, da das 100-Hektar-Areal so gut wie ausverkauft ist, hofft Zühlke, dass der Funke endlich auf die Quartiere überspringt. Firmenansiedlungen und mehr touristische Infrastruktur wären eine feine Sache. Aber vorerst freut man sich auch über kleine Erfolge.
Als Grüne-Hauptstadt-Projekt und mit den „bescheidenen finanziellen Mitteln des Bezirks Zollverein“ soll die Unterführung unter der Köln-Mindener-Bahn, die den künftigen Campus der Folkwang Universität mit Katernberg verbindet, auf Vordermann gebracht werden. Ziel des Projekts „Digitale Plattform“ wiederum sei es, das freie WLAN im Quartier voranzubringen.
Straße erinnert an Heinrich Imig
Ebenfalls als Erfolg verbucht Zühlke die Namensgebung alter Werkstraßen. Neben der Kokereiallee und der Straße „Im Welterbe“ sei – auf Vorschlag der Bezirksvertretung – auch Heinrich Imig († 1956) zum Zuge gekommen. Der Zollvereiner war Betriebsratsvorsitzender, Naziverfolgter und im Nachkriegs-Deutschland SPD-Bundestagsabgeordneter und Chef der IG Bergbau.
Und die Zukunft? Pendler, die ihre Büros bald in der RAG-Zentrale und der RAG-Stiftung, im Schacht One von Haniel oder in der Folkwang Universität haben, möchte der Bezirksbürgermeister dauerhaft in seinen Zollverein-Bezirk locken. „Mein Ziel ist: Sie sollen hier nicht nur arbeiten, sondern auch wohnen.“ Am besten in erschwinglichen Eigenheimen.