Essen. Der Essener Pfarrer Gereon Alter bricht immer wieder zu spektakulären Fahrradtouren auf. Über seine Reisen schreibt er auch in seinem Blog.
- Pfarrer Gereon Alter ist knapp 60.000 Kilometer mit dem Fahrrad gefahren, hat rund 40 Länder bereist
- Das Radeln ist für Alter die „bewussteste Art zu reisen“, man bekommt am meisten mit
- Auf seinen Reisen begegnen dem Pfarrer immer wieder Menschen, die ihn herzlich aufnehmen
Platten, die Leute fragen ihn immer nach Platten. Nicht Schallplatten jetzt, sondern platten Reifen. Pfarrer Gereon Alter (49) ist in Jahrzehnten knapp 60.000 Kilometer mit dem Fahrrad gefahren, hat knapp 40 Länder bereist, doch das erste, was viele interessiert, ist die Sache mit der Luft.
Gereon Alter ist der Essener Pfarrer, der regelmäßig das „Wort zum Sonntag“ im Fernsehen spricht. Und: Er bricht auch immer wieder zu spektakulären Fahrradtouren auf, von denen er später dann berichtet, illustriert mit ausgesprochen eindrucksvollen Bildern, die er mit dem Projektor an die Wand wirft.
Pfarrer mit bepacktem Rad
Die katholische Pfarrei St. Josef auf der Ruhrhalbinsel ist sein Revier. Über seine Radreisen schreibt er ausführlich in seinem Blog „Radweh“ im Internet. Die Fotos, die Alter während seiner Reisen schießt, könnten es locker in jeden Fernreiseführer schaffen. Man sieht den Pfarrer mit dick bepacktem Rad in den vollkommen surreal anmutenden Berglandschaften des indischen Himalaya, in den trostlosen Armutsvierteln der Vorstädte von Madagaskar.
Und doch: Kinder lachen fröhlich in die Kamera. Man sieht Gereon Alter in den tropischen Landschaften von Sri Lanka, Straßen voller Schlaglöcher und im Hintergrund Palmen. Sandige Felsen in Jordanien. Wolkenverhangene Pässe in Kroatien.
Aber auch: New York! „Aus der Megastadt herauszufinden“, schreibt Alter in seinem Blog, „ist viel leichter, als man denkt: Man folgt einfach einem Radweg am Ufer des Hudson“.
Ist man auf dem Fahrrad näher an Gott?
„Herr Alter, ist man auf dem Fahrrad näher an Gott?“ Der Pfarrer sagt „Ja“, ohne zu zögern. „Wenn man sich Gott nicht als alten Mann mit Rauschebart vorstellt, der im Himmel sitzt, sondern als einen, der uns in allem begegnen kann – vor allem in Menschen und Dingen, die uns berühren.“
Das Radeln ist für Alter die „bewussteste Art zu reisen“, man bekommt am meisten mit – viel mehr als mit dem Auto, klar, aber auch mehr als zu Fuß, weil man längere Strecken zurücklegen kann. „Ich habe noch heute die Gerüche der Nachtmärkte in Thailand in der Nase.“ Sämtliche Begegnungen mit Menschen und Kulturen seien auf seinen Radreisen „am intensivsten“ gewesen – und Alter hat in den Jahren gelernt: „Je ärmer die Menschen sind, desto gastfreundlicher sind sie.“
„Man erlebt so viel Herzlichkeit“
1991 fuhr er durch Rumänien, das Land hatte sich soeben vom Diktator Ceausescu befreit, bittere Armut überall, „da war ich etwas blauäugig“, räumt Alter ein.
Eine Familie lud ihn zum Essen ein. Es gab Weißkohl-Eintopf. Alter griff zu. Was er nicht wusste: Das karge Essen reichte so nicht mehr für den Vater, der noch bei Feldarbeit war. Doch anstatt enttäuscht zu schauen, drängte der um sein Essen Gebrachte den Gast zu bleiben und bot ihm dazu gar sein Ehebett an. „Der Gast ist wichtiger als das eigene Wohl“, fasst Alter das Erlebnis zusammen. „Man erlebt so viel Herzlichkeit, Bescheidenheit und Dankbarkeit, dass es einen fast beschämt.“
In Ägypten erlebt, was ein Polizeistaat par excellence ist
Auch Bedrückendes kann Alter berichten, „in Ägypten war ich 2010, im letzten Jahr der Amtszeit von Mubarak. Da habe ich erlebt, was ein Polizeistaat par excellence ist.“ Sicherheitskräfte begleiteten ihn bei der Fahrt durchs Niltal, die Stimmung war gespenstisch.
Doch es sind nicht nur die Begegnungen mit den Menschen und den Kulturen, die Alter letztendlich als Begegnungen mit Gott und dem Göttlichen übersetzt. „Radfahren ist sowieso spirituell, meditativ. Das Atmen, die immer gleiche Bewegung des Pedalierens.“ Das ist eine Erfahrung, die sicher auch jeder Alltagsradler kennt.
Erste Radtour führte ins Münsterland
Seine erste Tour mit dem Rad ging übrigens ins Münsterland, nach Nottuln in die Jugendherberge. „Es war pure Neugier, die hatte ich schon immer.“ Alter wuchs in Gelsenkirchen-Heßler auf, nicht weit vom Rhein-Herne-Kanal, „und ich wollte immer wissen, was dahinter ist.“
Ach so: Platten? „Vielleicht alle vier Jahre mal einen.“ Die meisten hatte er in Mexiko, der vielen Kakteen wegen. In Amerika brach ihm mal der Sattel ab, das war wesentlich spektakulärer. Für die Reparatur fehlte ihm eine Schraube – und in den USA gelten andere Durchmesser und Maße. „Doch ich fand einen Farmer, der mir extra eine Schraube mit seinem Werkzeug neu schnitt.“
Wieder so eine Begegnung mit einem Menschen, die Alter beeindruckt hat. Und was die Technik angeht: „Für Pannen gibt es immer eine Lösung, das habe ich gelernt.“