Essen-Altenessen. . Die Schrottimmobilien an der Ecke Gladbecker-/Hövelstraße konnten noch immer nicht von der Stadt gekauft werden. Es droht ein langer Streit.

Die Schrottimmobilien Gladbecker Straße 305 bis 309 ramponieren das Ansehen eines ganzen Stadtteils. Zugleich könnten sich die leer stehenden Bruchbuden in Altenessen als Lehrstück dafür erweisen, wie die Stadt Eigentümern solcher Problemhäuser erfolgreich das Handwerk legt.

Jetzt kommt wieder Bewegung in den Sanierungsfall. Der aktuelle Stand des zähen Häuserkampfes: Die Schrottimmobilien befinden sich in der Zwangsversteigerung. Einen Termin gibt es dafür nach Angaben des Amtsgerichtes Essen allerdings noch nicht. Fest steht lediglich, welche Absichten die Stadt verfolgt. „Wir wollen die Häuser auf der Gladbecker Straße kaufen und werden mitbieten“, sagte Stadtsprecherin Silke Lenz. Der große Plan: Abreißen, neu bauen, das alte Arbeiterquartier schön machen.

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Noch aber hat der Gelsenkirchener Yalcin Dogan die Hand auf den alter Bergarbeiter-Wohnungen. Im Gespräch mit dieser Zeitung macht der umtriebige deutsch-türkische Kaufmann deutlich, dass er die Zwangsversteigerung um jeden Preis abwenden will. „Die Häuser werden nicht versteigert, ich werde alle offenen Rechnungen bezahlen“, kündigte er vollmundig an.

Stadt Essen erklärte Problemhäuser für unbewohnbar

Um einen Pappenstiel handelt es sich dabei nicht. Eigenen Angaben zufolge belaufen sich die offenen Rechnungen inzwischen auf rund 100.000 Euro. Den dicksten Posten schuldet Dogan den Stadtwerken – für nicht gezahlte Wasserrechnungen, Zwangsgelder und die Kosten für die aufwändige Versiegelung aller Wasseranschlüsse.

Diese liegen mitten unter dem Asphalt und gaben der Stadt das Recht, die Häuser für unbewohnbar zu erklären und im Oktober 2015 auf spektakuläre Weise räumen zu lassen. Ohne Wasser und Heizung, so argumentierte die Stadt, sei die Gesundheit der Bewohner – ausschließlich Armutszuwanderer aus Rumänien und Bulgarien, darunter auch Schwangere – akut gefährdet. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen wies die Klage des Hauseigentümers gegen diese Räumung ab und gab der Stadt Recht.

Sozialhilfe erschlichen

Schon seit vier Jahren führt Ordnungsdezernent Christian Kromberg einen erbitterten Kampf gegen den Eigentümer der Schrottimmobilie: mit Dutzenden Ordnungsverfügungen, Razzien, Meldekontrollen, Sicherheitsauflagen und Klagen vor dem Verwaltungsgericht. Anlässe einzuschreiten, hatte es ständig gegeben. Mal waren Häuser, Hinterhöfe und Gehwege vermüllt, mal stöhnten Nachbarn über Lärmbelästigung und Tätlichkeiten. Die Bewohner, meistens kinderreiche Familien, die sich selbst „tsigan“, „Zigeuner“, nannten, hielten sich überwiegend als Tagelöhner und Schrottsammler über Wasser. Ferner bestand der dringende Verdacht, dass sie sich auf illegale Weise Kindergeld-Zahlungen und Sozialhilfe erschlichen haben.

Gleichzeitig gelten die Bewohner solcher Schrottimmobilien als Opfer skrupelloser Eigentümer und Schlepperbanden. Denn in Wirklichkeit sollen letztere es sein, die sich an den systematisch erschwindelten Transferleistungen im großen Stil bereichern. Zeugen berichten, dass Geldeintreiber auch an der Gladbecker Straße in teuren Limousinen vorgefahren sind und die Bewohner Geldbündel durch die Autofenster steckten. Etliche von ihnen wohnen inzwischen in anderen Schrottimmobilien: zum Beispiel in den Lawrenz-Häusern auf dem Palmbuschweg in Altenessen.

Eigentümer will drohende Zwangsversteigerung abwenden

Im Essener Rathaus keimte nach der Räumung die Hoffnung auf, die zwischenzeitlich zum Verkauf stehenden Häuser auf der Gladbecker Straße per Vorkaufsrecht an sich zu ziehen und danach sofort abreißen zu können. „Letztlich ist der Kauf aber nicht zustande gekommen“, sagt die Stadtsprecherin.

Ob Yalcin Dogan die drohende Zwangsversteigerung noch abwenden kann? „Ich habe bereits andere Häuser verkauft, damit ich die offenen 100.000 Euro jetzt bezahlen kann“, behauptet er.

Den Verantwortlichen im Rathaus wirft der windige Unternehmer seinerseits eine „linke Art“ vor. „Die Stadt hat ein Spielchen mit uns gespielt“, schimpft er. In Wirklichkeit beabsichtige sie, die Häuserzeile zu kaufen, um nach deren Abriss die B 224 verbreitern zu können. „Aber wir verkaufen nicht, die Häuser werden kernsaniert“, so Dogan.

Anwohner beklagt Müll und Verwahrlosung

Reinhard Schmidt (53), von Beruf Stadtplaner in Duisburg-Hochfeld, ist in Altenessen aufgewachsen. Er wohnt auf der Gladbecker Straße 245 und hängt – trotz aller Widrigkeiten – an diesem Quartier. Der Veteran im Kampf gegen die A 52 und Mitinitiator der Zeche Carl wirft den Verantwortlichen in Rat und Rathaus „35 Jahre Nichtbeachtung“ seines Wohnviertels vor. Die Grünen, für die er einst in der Bezirksvertretung V saß, bezieht er in seine Kritik mit ein. Auch auf der Gladbecker Straße müsse es jetzt erneut darum gehen, „die Welt dem Menschen und nicht dem Auto anzupassen“.

Auch die „Verwahrlosungstendenzen“ in seiner Nachbarschaft sind ihm ein Dorn im Auge. In einem Brief an den Ordnungsdezernenten schildert er eindrücklich die Missstände. „Vor dem Haus Gladbecker Straße 237, das offensichtlich von Südosteuropäern bewohnt wird, wird ständig Müll/Sperrmüll auf dem ohnehin sehr schmalen Bürgersteig gelagert, das Nachbarhaus Nr. 239 ist vor wenigen Wochen durch einen Brand stark beschädigt worden und seitdem unbewohnt. Ich habe mir den Hof 239 angesehen und bin auf eine veritable Müllhalde gestoßen. Offensichtlich ist die Praxis eingeübt.“

>> SERIE: ALTENESSENER STELLEN "IHRE" GLADBECKER STRASSE VOR

Kaum eine Straße in Essen versteckt ihre Problemzonen so wenig wie die Gladbecker Straße. Dass die Mädchen in aller Freizügigkeit die Männer aus der gesamten Region auf den Kirmesplatz locken, ist noch eins der kleineren Probleme.

Richtig heftig wird es auf dem Abschnitt zwischen dem Berthold-Beitz-Boulevard im Süden und der Krablerstraße im Norden. Dort wälzen sich pro Tag 47 000 Kraftfahrzeuge über die vier Spuren.

Mit einem Rahmenplan möchte die Stadt jetzt Lösungen finden, „um die Wohn- und Lebensverhältnisse durch städtebauliche und verkehrliche Maßnahmen zu verbessern“.

Doch wie sind diese Verhältnisse? Wir werden in den nächsten Wochen genauer hinschauen. In einer Serie stellen wir Menschen mit ihrer Sicht auf „ihre“ Gladbecker Straße vor. Eins sei schon verraten: Es gibt überraschende Erkenntnisse.