Essen. . Die Stadt Essen hat eine Bauvoranfrage für einen Nebau positiv beschieden. Die Abrissgenehmigung steht noch aus. Bürger wollen die Zeit nutzen.

  • Die Stadt Essen hat eine Bauvoranfrage für einen Neubau an der Forstmannstraße positiv beschieden. Eine Abrissgenehmigung liegt aber noch nicht vor
  • Bürger- und Heimatverein setzt auf Unterstützung des Oberbürgermeisters. Bezirksvertrertung stimmt dafür den Gründerzeitbau unter Denkmalschutz zu stellen
  • Dafür dürfte es zu spät sein. Denkmalsatzung für ganz Werden wurde nie verabschiedet. Denkmalbehörde sieht aber Chancen auf Gestaltung Einfluss zu nehmen

Hier haben sie den Kaiser hochleben lassen und später auch die Republik: Die Gaststätte „Kaiser Friedrich“ ist ein Stück Werdener Geschichte. Zuletzt servierte Szenewirt Piccino Fausto seinen Gästen hier italienische Speisen und edle Weine. Seit einigen Tagen aber ist die Küche kalt. Nicht nur unter Gourmetfreunden herrscht deshalb helle Aufregung.

Viele Werdener sind alarmiert, seit das Gerücht im Stadtteil die Runde macht, das Gasthaus mit der imposanten Gründerzeitfassade könnte schon bald abgerissen werden.

Es wäre ein weiteres negatives Beispiel dafür, dass alte Bausubstanz weichen muss, um moderner – Kritiker sagen gesichtsloser – Architektur Platz zu machen.

Facebook-Gruppe organisiert Protest

Soviel ist verbrieft: Dem Stadtplanungsamt liegt ein Antrag auf Abbruch des Gebäudes vor sowie eine Voranfrage für den Bau eines Mehrfamilienhauses mit Tiefgarage. Die Anfrage wurde inzwischen positiv beschieden, die Genehmigung für den Abriss steht aus. Verwaltungsintern lägen nicht alle dafür notwendigen Stellungnahmen vor, heißt es aus der Behörde. Eine Entscheidung soll noch im Laufe des Jahres fallen.

In Werden versuchen sie zu retten, was zu retten ist: Im sozialen Netzwerk Facebook formiert sich Widerstand hinter der Forderung: „Wir wollen unseren alten Kaiser wiederhaben“.

Gebäude steht nicht unter Schutz

Wer nicht in Werden zuhause ist, muss wissen: Das 1907 errichtete Gasthaus liegt an der Forstmannstraße. Benannt nach einer der bedeutendsten Werdener Familien zählt die Wohnstraße mit ihren denkmalgeschützten Jugendstilfassaden zu den malerischsten Adressen des Stadtteils. Unter Schutz steht allerdings nur ein Teil der Straße einschließlich eines Rondells, das seit 1900 von einer Bronzestatue Friedrichs III. beherrscht wird.

In dessen Rücken, an der Fassade der Gaststätte, hängt seit kurzem das Bauschild einer Stahl- und Betonbaufirma aus Bochum. Das Gebäude selbst hat nach Einschätzung der Unteren Denkmalbehörde keinen eigenen Denkmalwert. Dem Kaiserdenkmal verschafft es aber „einen prächtigen Hintergrund“, heißt es in einem Werk über die „Bau- und Kunstdenkmale in Essen-Werden“.

Bezirksvertreter votieren für Denkmalschutz

Sollte die Gaststätte tatsächlich abgerissen werden, „wäre das ein Jammer“, klagt Dietmar Rudert. Der Vorsitzende des Werdener Bürger- und Heimatvereins setzt nun auf die Hilfe des Oberbürgermeisters. Die für Werden zuständige Bezirksvertretung hat am Dienstagabend einstimmig beschlossen, das Gasthaus ebenfalls unter Denkmalschutz zu stellen. Dafür dürfte es zu spät sein.

Satzung für Denkmalbereich wurde nie beschlossen

Eine weitergehende Denkmalschutzsatzung, die weiterhelfen könnte, gibt es nicht. Eine solche, die ganz Werden zu einem Denkmalbereich erklären würde, war zwar in den 1990er Jahren auf den Weg gebracht worden, versandete aber offenbar in den Mühlen von Politik und Verwaltung. Die Satzung wurde nie vom Rat der Stadt verabschiedet, so Elke Janßen-Schnabel vom Amt für Denkmalpflege beim Landschaftsverband Rheinland. „Wir bedauern das sehr“, sagt die Denkmalpflegerin, sei die Satzung doch ein sinnvolles Instrument um Ortskerne zu erhalten.

Petra Beckers, Leiterin der Unteren Denkmalbehörde, sieht dennoch gute Chancen, auf die äußere Gestaltung eines Neubaus Einfluss zu nehmen. Dies erlaube die Nähe zu den unter Schutz stehenden Gebäuden an der Forstmannstraße.

Denkmalbehörde will auf Gestaltung Einfluss nehmen

Werdener Bürgern schwant dennoch nichts Gutes. In einem Leserbrief an die „Werdener Nachrichten“ schreibt der Architekt Andreas Winkler: „Seien wir doch mal ehrlich: Was die heutigen Architekten für ihre Investoren bauen, kommt über das Mittelmaß nicht hinaus. Uns fehlt es in Deutschland an Baukultur! Das liegt im Wesentlichen daran, dass wir keine gebildeten Bauherren mehr haben, die sich mit ihrem Bau repräsentieren wollen, sondern nur noch Investoren.“ Das Haus am Rondell sei gewiss kein großartiges Kunstwerk, aber ein erhaltenswertes Ensemble, ein Stück altes Werden, so Winkler. Eines, das droht für immer verloren zu gehen.