Essen. Die Schrott-Immobilien-Affäre um die Essener Sparkasse spitzt sich zu. Im Raum steht der Verdacht, das Kreditinstitut habe die Seniorenresidenz in der Weststadt im Wissen um die gravierenden Baumängel verkauft. Ein Gerichtsbeschluss bestätigte nun einen Teil der Vorwürfe.
Die Essener Sparkasse gerät immer mehr unter Druck. Wie die WAZ im Mai berichtete, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Betrug-Verdachts gegen das Kreditinstitut. Am 26. Februar wurden Büros durchsucht und Akten beschlagnahmt. Die Ermittlungen dauern weiter an. Die Rede ist unter anderem von gravierenden Versäumnissen beim Verkauf einer Immobilie in der Weststadt und von „grober Fahrlässigkeit”. Für Oktober ist ein Termin am Landgericht Köln anberaumt, um die Sache zu klären.
Sparkasse übernahm Pleite-Projekt
Es geht um das fünfgeschossige Gebäude einer Seniorenresidenz an der Helmut-Käutner-Straße in der Weststadt hinter den Cinemaxx-Türmen. Der Klinkerbau war zwischen 2002 und 2003 errichtet worden. Der Bauträger rutschte in die Pleite, die Sparkasse übernahm gemeinsam mit einem Insolvenzverwalter das Projekt, suchte einen Käufer.
Der fertig gestellte Bau ging im März 2005 für rund 17 Millionen Euro an die Kölner „E&P”-Holding. Gleichzeitig finanzierte die Sparkasse das Geschäft, stellte dem Käufer einen entsprechenden Kredit bereit. Seitdem betreibt die „E&P” über eine Tochterfirma die Seniorenresidenz. Dort leben etwa 160 Senioren.
Beton-Skelett löchrig wie Schweizer Käse
2007 stellte der Betreiber fest, dass mit dem Haus etwas nicht stimmen kann: In der Tiefgarage floss Wasser – mitten aus einer Wand. Im Beton fand man Hohlstellen, rostige Eisenträger und so genannte „Nester” – Pulverbereiche, in denen der Beton nicht hart geworden war. Später wurden sämtliche Wände und Säulen untersucht – das fatale Ergebnis: Das Beton-Skelett ist löchrig wie Schweizer Käse, die gesamte Statik gefährdet.
Beton-Spezialisten haben die schlimmsten Schäden mittlerweile aufgefüllt – jetzt ist das Haus wieder sicher. Zumindest für die nächsten zwei Jahre. Dann droht der Abriss.
Juristen versuchen seit Monaten zu klären, wer was zu welchem Zeitpunkt wusste. Weiter im Raum steht der brisante Vorwurf, dass die Sparkasse gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter wissentlich eine Schrott-Immobilie an die „E&P”-Holding verkauft hat – und somit eine Gefahr für Leib und Leben in Kauf nahm.
Holding fühlt sich "übers Ohr gehauen"
So sieht es der Gesellschafter der „E&P”-Holding, Dirk Iserlohe. Er fühlt sich übers Ohr gehauen. Oder, juristisch ausgedrückt, „arglistig getäuscht”. Im Kaufvertrag sei von Mängeln keine Rede gewesen – es hatte geheißen: „Geringes Rohbau-Risiko”. Dabei war 2003 ein Gutachten erstellt worden. Es listet exemplarische Mängel auf. Zu sehen sind auch Bilder so genannter „Beton-Fehlstellen”.
Fakt ist: Um alle Schäden im Beton zu ermitteln, hatte der Verfasser des Gutachtens, ein Bau-Ingenieur, der Sparkasse nachträglich angeboten, den gesamten Rohbau auf weitere mögliche Löcher hin zu analysieren. Die Sparkasse lehnte aber ab „nach Diskussion der ohnehin schon schwierigen Sachlage”, so hieß es.
"Ohnehin schwierige Sachlage"
Falls die Verantwortlichen vermutet haben, dass es nichts weiter zu untersuchen gebe, sei das „grob fahrlässig” gewesen, befindet die 10. Kammer für Handelssachen am Landgericht Köln. Dass man das komplette Gutachten dem Käufer nicht ausgehändigt habe, sei eine „schuldhafte Verletzung vorvertraglicher Pflichten”. Die Zusicherung, das „Rohbau-Risiko” sei „gering”, sei bestenfalls „ins Blaue hinein” abgegeben worden.
Iserlohe hält das für einen Etappensieg. Er geht davon aus, mit einer Schadenersatzklage Erfolg zu haben. Auch die Sparkasse ist optimistisch: „Wir sind froh, dass die Angelegenheit endlich in einem geordneten Verfahren behandelt wird”, so Sprecher Schleede.