Essen. . Erste Essener „Dalton“-Konzept-Schule: Ein Drittel des Unterrichts erledigen Schüler in Stillarbeit. Das soll bessere Förderung ermöglichen.

  • Schüler wählen selbst ihre Aufgaben, den Raum, den betreuenden Lehrer
  • „Dalton“-Konzept sei die richtige Antwort auf eine wachsende Heterogenität der Schüler, sagt die Schulleiterin
  • Zweieinhalb Jahre Vorbereitungszeit waren in Überruhr nötig

Nach zweieinhalb Jahren Vorbereitung hat das Gymnasium Überruhr (GEÜ) in diesem Schuljahr die so genannte „Dalton“-Pädagogik eingeführt. Das nach einer US-Kleinstadt benannte Unterrichtskonzept (siehe Infobox) wird derzeit an 23 Gymnasien in Deutschland angewandt. Das GEÜ ist Essens erste „Dalton“-Schule.

Rund 860 Schüler der Jahrgänge fünf bis EF (zehn) haben jetzt mindestens einmal täglich eine Stunde „Dalton“; an drei Tagen sind es sogar zwei. Ingesamt ein Drittel der kompletten Unterrichtszeit (außer Sport) ist jetzt „Dalton“-Zeit – Stillarbeit, beaufsichtigt von einem Lehrer, wobei Schüler selbst entscheiden können, welche der vorgegebenen Aufgaben sie bearbeiten wollen. Auch die Frage, in welchem Raum und bei welchem Lehrer die Schüler arbeiten wollen, bestimmen die Schüler selbst. Schulleiterin Gabriele von Heymann spricht von „Freiheit in Gebundenheit“. Mit dem „Dalton“-Konzept will das GEÜ Chancengleichheit unter den Schülern verbessern, individuelle Förderung besser möglich machen. „Dass alle Schüler zur gleichen Zeit dasselbe lernen im gleichen Tempo, entspricht längst nicht mehr der Realität“, sagt Gabriele von Heymann. „Die Heterogenität hat stark zugenommen. Darauf ist unser Konzept eine Antwort.“

Die Schule, die vor einem Jahr das 60-Minuten-Raster im Stundenplan eingeführt hat, tickt jetzt außerdem im Vier-Wochen-Rhythmus – Schüler bekommen für jedes Fach entsprechende Lehrpläne. Dort steht, was im kommenden Monat im Unterricht behandelt wird, und wo die Themen in den Büchern vorkommen. Ausdrücklich und konkret aufgeführt sind entsprechende „Aufgaben für die Dalton-Stunden“, die die Schüler bis zum Ende der Vier-Wochen-Phase bearbeitet haben müssen: Übungsaufgaben (zur Wiederholung), Lern- und Vorbereitungsaufgaben, die bereits zu den nächsten Themen führen. Außerdem gibt es Checklisten, damit die Schüler lernen, sich selbst einzuschätzen, sowie verbindliche Angaben über Klausurtermine. Lehrer tragen zum Beispiel ein, wenn Schüler Material vergessen oder oft zu spät kommen. „Das Lernen nach Dalton-Plan“, sagt Lehrer Alexander Ulrich, der die „Dalton“-Einführung am GEÜ mitgestaltet hat, „stärkt die Schüler in ihrer Eigenverantwortung, Selbstständigkeit und im Kooperationsverhalten.“ Ganz abgesehen davon: „Viele Kinder, die jetzt neu kommen“, sagt Ulrich, „kennen zumindest Wochenarbeitspläne längst aus den Grundschulen.“

Mathe bei einem Englischlehrer

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Herzstück des „Dalton“-Konzepts: der Planer mit den Monats- und Wochenübersichten; ein dicker Ordner, den die Schüler täglich mitbringen müssen. Zu „Dalton“ gehört auch das Raumkonzept: Die Schüler können selbst entscheiden, wo und bei wem sie ihre Stillarbeit verrichten. Man kann also zum Beispiel Mathe-Aufgaben bei einem Englischlehrer bearbeiten; alle Lehrer sind verpflichtet, den Schülern bei Fragen so gut zu helfen, wie sie können. Die Vorteile: „Das Problem Unterrichtsausfall wird minimiert, und im Idealfall können sich im Idealfall gegenseitig helfen“, sagt die Schulleiterin – vor allem dann, wenn idealerweise Ältere neben Jüngeren sitzen. „Dalton“-Stunden finden nicht im Klassenverband statt – aber: bei 25 Schülern pro Raum ist Schluss, „dann wird niemand mehr hineingelassen“. Wegen des 60-Minuten-Rasters gebe es keine Hektik auf den Fluren, betonen die GEÜ-Pädagogen.

Es ist klar, dass die Einführung von „Dalton“ ein langer Prozess war – viele Lehrer mussten erst überzeugt werden. Jetzt, nach dem Start, bittet die Schule Eltern und Lehrer aktiv um Rückmeldung; bis Ende des Jahres werden auch die Schüler schriftlich befragt.

Woher der Begriff „Dalton“ stammt

Als Erfinderin der „Dalton-Pädagogik“ gilt die amerikanische Lehrerin Helen Parkhurst (1887 – 1914). Sie musste in einer Landschule Kinder in einer Klasse unterrichten, die zwischen vier und 14 Jahren alt waren.

Helen Parkhurst arbeitete im Dorf Dalton im US-Bundesstaat Georgia – daher hat die „Dalton-Pädagogik“ ihren Namen. Helen Parkhurst war aber auch von der Reformpädagogin Maria Montessori beeinflusst.