Essen. . In Heisingen rettete vor 20 Jahren ein Verein die Stadtteilbibliothek, die schließen sollte. Seitdem betreiben Bürger die Bücherei in Eigenregie.

  • In vielen Stadtteilen wird über neue Ideen für Stadtteilbüchereien nachgedacht
  • Kann Heisingen ein Vorbild sein? Dort lebt die örtliche Einrichtung vom Engagement der Einwohner
  • 9000 Ausleihen im Jahr - ein respektables Ergebnis bei nur zwei Öffnungstagen und einem Spezialangebot

Sinkende Ausleih-Zahlen, ungünstig gelegene Räume, wenig zeitgemäßer Bestand: Einige Stadtteil-Bibliotheken sind in der Krise. Vor allem Standorte wie Kray, Stoppenberg oder Katernberg leiden; dort wird laut über Veränderungen nachgedacht. In Heisingen zeigt seit 20 Jahren ein Verein, wie man eine Stadtteilbibliothek rettet – und zu neuer Blüte führt: Engagierte Bürger führen dort die Stadtteilbibliothek in Eigenregie – ein einzigartiges Beispiel in Essen, das Nachahmer finden könnte.

Buchbestand kostenfrei übernommen

„Pro Bib“ heißt der Verein, der sich vor 20 Jahren gründete, um die städtische Stadtteilbibliothek, die an der Zölestinstraße lag, zu übernehmen: „Der Kommune wurde der Betrieb zu teuer“, erinnert sich Elisabeth Jechalik, die Vorsitzende des Vereins „Pro Bib“. Der Buchbestand durfte kostenfrei übernommen werden, die örtliche CDU half ebenfalls, und nach einem Intermezzo in der früheren Mädchenschule in Heisingen, das Gebäude ist heute ein Wohnhaus, zog man vor rund 18 Jahren in den Keller des Alten Rathauses.

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„Wir haben hier nur 60 Quadratmeter, deswegen konzentrieren wir uns auf Kinder- und Jugendbücher“, berichtet Elisabeth Jechalik. Drei Viertel des Bestandes richte sich entsprechend an junge Leser. Mit Erfolg: Rund 9000 Ausleihen verzeichnet der Verein pro Jahr – bei gerade mal zwei Öffnungstagen, immer dienstags und freitags von 15 bis 18 Uhr öffnet die Bibliothek. Gemessen an der Zahl der Einwohner von Heisingen – im Stadtteil leben rund 12 000 Menschen – und angesichts der Tatsache, dass es sich vor allem um ein Spezial-Angebot für junge Leser handelt, sind 9000 Ausleihen ein respektables Ergebnis, das im übrigen seit Jahren Konstanz bewahrt. Die Stadt hilft, indem sie dem Verein die Raummiete erlässt.

Ohne Engagement von Bürgern geht das alles natürlich nicht: Der Verein „Pro Bib“ hat etwa 60 Mitglieder, die einen Jahresbeitrag von 33 Euro entrichten. Acht Frauen sorgen derzeit dafür, dass dienstags und freitags verlässlich geöffnet ist, übernehmen die Verbuchung, Ausleihe und Beratung.

Kooperation mit der örtlichen Buchhandlung

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„Es ist schwer, engagierte Bürger zu finden, die Zeit opfern“, sagt Elisabeth Jechalik. Und die Kunden? Zahlen 16 Euro Jahresbeitrag pro Familie; mit diesem Geld wird ein Großteil des Büchereibestandes regelmäßig aufgefrischt. Es gibt eine Kooperation mit der örtlichen Buchhandlung, und an der Wand neben der Ausleihe hängt ein kleiner Briefkasten, dort können Leser Zettel hineinwerfen, auf die sie Wünsche notiert haben. „Wir geben uns große Mühe, stets zeitgemäß und aktuell zu sein“, sagt Elisabeth Jechalik. Nicht selten kämen Bürger mit Bücherspenden an: „Im Erwachsenenbereich funktioniert das manchmal, dass man einen jungen Bestseller gebraucht ins Regal stellen kann, bei älterer Jugendliteratur in der Regel nicht.“ Zu schnell wechselten dort die Moden, aber immerhin: Für Ein-Euro-Grabbelkisten im Kellerfoyer, aus denen man sich preisgünstig bedienen kann, reicht es im Zweifel noch.

Und weil die Bücherei tatsächlich das hat, was bei jungen Leuten ankommt, sehen wir im Regal meterlang die Bestseller-Reihe „Das magische Baumhaus“; gefolgt von der beliebten Kinderkrimi-Reihe „Ein Fall für Kwiatkowski“; und dass auch aufwändige Bilderbücher und Märchenbände nicht fehlen dürfen, versteht sich von selbst.

Jahresbeitrag für jugendliche Leser

Während die kommunale Stadtbibliothek erwägt, den Jahresbeitrag für jugendliche Leser von acht Euro künftig zu erlassen, ist man in Heisingen auf die 16 Euro Gebühr weiter angewiesen: „Wir glauben aber nicht“, sagt Elisabeth Jechalik, „dass wir einen Schwund befürchten müssen, wenn man künftig in der Zentralbibliothek oder in Stadtwald als Kind oder Jugendlicher nichts mehr bezahlen muss.“ Denn erstens: Heisingen ist ja ziemlich weit weg von der Stadtmitte. Und zweitens: Dort wohnen ja nun doch viele Leute, die durchaus gerne in Bildung investieren.