Essen-Steele. . Was in Steele als subkulturelles Zentrum begann, hat sich in zwei Jahrzehnten zu einem etablierten Standort der Soziokultur mit Bildungsauftrag und jährlich 600 Veranstaltungen und 55 000 Besuchen entwickelt.
- Aus subkultureller „Pommesbude“ in alter Karbidfabrik entwickelt sich in 20 Jahren ein etablierter Kulturträger in ehemaliger Schule
- Harter Kampf um die Gelder: Stadt wollte Nutzer, aber keine regelmäßige Finanzierung
- Heute Standort der Soziokultur mit jährlich 600 Veranstaltungen
- Keimzelle des Erfolgsstücks „Freunde der italienischen Oper“
Wenn aus einer ehrenamtlichen, subkulturellen „Pommesbude“ in einer alten Karbidfabrik in Horst ein Aushängeschild der Stadt mit rund 600 Veranstaltungen und Bildungsangeboten im Jahr wird, darf man von einer höchst ungewöhnlichen Begebenheit sprechen. So übertreibt man nicht, wenn man beim Grend vom Wunder von Steele spricht. Von Freitag, 30. September, bis Sonntag. 2. Oktober, feiert das Haus seinen 20. Geburtstag.
Alte Rektoratsschule und Rathaus
„Wir sind eine freie soziokulturelle Einrichtung mit den Geschäftsbereichen Weiterbildung, Theater, Konzerte und Veranstaltungen, Gästehaus und Gastronomie“, bringt Grend-Geschäftsführer Johannes Brackmann „seinen“ Gemischtwarenladen an der Westfalenstraße auf den Punkt. Viel Engagement, Kreativität und vor allem Beharrlichkeit und Durchhaltevermögen waren nötig, um zu einer etablierten Größe zu wachsen, die im Jahr rund 55.000 Besuche zählt.
„Wir hätten das nie geschafft, wenn wir nicht ständig laut gewesen wären“, sagt Brackmann, der 1983 in den Werkstatt e.V. eingestiegen war, einer subkulturellen Unternehmung mit typischem Teilhabe-Ideal der 1970er und frühen 1980er Jahre für die breite Bevölkerung. Von Horst aus schaute man sich nach neuen Räumlichkeiten um. Und stieß auf die leerstehende alte Rektoratsschule und das ehemalige Steeler Rathaus, anno 1876. Zustand: mies. Der Kampf begann.
„Die Stadt suchte Nutzer, wollte aber kein Geld ausgeben, um das Haus zu betreiben“, so Brackmann. Der Trumpf der Truppe, zu der sich die Aktiven des heutigen Theaters Freudenhaus und des Bildungswerks e.V. gesellten: Das Haus steht unter Denkmalschutz, kein Abriss möglich. Doch vom Ratsbeschluss 1987, Kultur ins Haus zu holen, und dem Baubeginn vergingen sechs Jahre. Und drei Jahre Umbauzeit gab es auch noch zu überbrücken. Schließlich einigte man sich auf eine begrenzte, aber kaum ausreichende jährliche Finanzierung.
Bis heute nur Teilzeitstellen
Wie gut, dass es noch ein zweites „Wunder von Steele“ gab. „Das war das Stück ,Freunde der italienischen Oper’ von Sigi Domke“, sagt Connie Sandmann, Geschäftsführerin des Geschäftsbereiches Theater Freudenhaus. Das Ruhrgebietsstück brachte einen Boom, Geld, Besucher und viel Anerkennung.
Denn ums fehlende Geld geht es in Häusern mit vergleichbarem Bildungs- und Kulturauftrag eigentlich immer. Obwohl der Betreiber, der Verein Kulturzentrum Grend, rund 40 Prozent der Kosten durch städtische Mittel decken muss, hängen alle Geschäftsbereiche mit ihrem Budget an der kurzen Leine. Im Bereich Bildung stellte sich Leiter Cord Striemer breiter und breiter auf und expandierte u.a. in den Vormittagsbereich – Zielgruppe Senioren.
Den darbenden Konzertsektor stellte Veranstalter Markus Meyer ab 1999/2000 auf publikumsträchtigere Rock- und Independent-Musik, Blues, Funk oder Singer/Songwriter um. Vermietungen, Tagungen usw. baute Thomas Wittom aus. Nach einigen gescheiterten Pächtern läuft die geschrumpfte Gastronomie nun unter eigener Regie erfolgreich. Chef Brackmann wirbt regelmäßig u.a. viele zusätzliche Mittel anderer Geldgeber ein, etwa für das bekannte Literatürk-Festival.
Dennoch gibt es bis heute nur Teilzeitstellen, und die Anpassung der Gehälter an die allgemeine Lohnentwicklung geschah vor drei Jahren zum ersten Mal. Brackmann: „Wir haben kein akutes Geldproblem. Aber mit rund 50.000 Euro zusätzlich hätten wir die Basis, um in den kommenden Jahren auch mehr neue Sachen zu entwickeln.“
Jubiläumsprogramm von Freitag, 30. September, bis Sonntag, 20. Oktober
Ein buntes Jubiläumsprogramm gibt es am Geburtstagswochenende des Grend von Freitag, 30. September, bis Sonntag, 2. Oktober, an der Westfalenstraße 311.
20 Jahre Grend bedeutet 20 Jahre „Freunde der italienischen Oper“. Wer die Mutter aller Ruhrgebietsstücke sehen möchte, der hat am Freitag die Gelegenheit (20 Uhr; 19 Euro). Parallel lädt Musiker und Medienkünstler Christian Börsing ab 21 Uhr zum „Grendless“, einer Live-Musik und Videoperformance, die 20 Jahre Kulturleben im Grend noch einmal auf ganz eigene Weise umsetzt (Eintritt frei). Tanzen und Feiern vor der Videoleinwand gibt es dann auf der „Dream Baby Dream-Party“ (22 Uhr; Eintritt frei).
Am Samstag kann man ab 17 Uhr „Kneipe-Live“ mit Grend-Film, Konzertvideos der letzten 20 Jahre und vielem mehr erleben (Eintritt frei). Volker Strübing (Berlin), Renato Kaiser (Bern), Quichotte (Köln) und Florian Wintels (Bad Bentheim) sind ab 20 Uhr beim „Grend Slam 43“ dabei, der Poetry-Revue des Hauses und einer der erfolgreichsten Serien an der Westfalenstraße überhaupt (VVK 12/AK 14 Euro). Am Samstag laufen ab 20 Uhr noch einmal die „Freunde der italienischen Oper“ (19 Euro).
Offenes Haus heißt es am Sonntag ab 14 Uhr bei der „Kulturiade“ mit u.a. Kindertheater, theatralischen Hausführungen und Kaffee und Kuchen „für lau“ (Eintritt frei). Um 15 Uhr steht ein „Theater Spezial“, die Revue des Theaters Freudenhauses, auf dem Spielplan (Eintritt frei; Reservierung erforderlich). Um 20 entern „Marylin’s Army“ zum Jubiläumskonzert die Bühne (VVK10/AK15 Euro). Karten/Reservierungen unter 8 51 32 30.