Essen. . Polizei spricht von hoher Sensibilität. Bürger und Flüchtlinge melden sich bei Islamisten-Verdacht. Bald startet das Ausstiegsprojekt „Wegweiser“.
- Die Sensibilität für das Thema ist inzwischen merklich gewachsen in der Essener Bevölkerung
- Unter den Tippgebern finden sich auch vermehrt Bewohner der Flüchtlingsunterkünfte
- Ende des Jahres soll auch in Essen das Präventionsprojekt „Wegweiser“ des Landes starten
Nicht erst seit dem Aufsehen erregenden Prozess gegen den Islamistenprediger Sven Lau im Düsseldorfer Hochsicherheitstrakt registriert die Essener Polizei eine zunehmende Sensibilität für mutmaßliche salafistische Umtriebe: „Wir haben inzwischen ein deutlich gestiegenes Hinweisaufkommen“, sagt Polizeisprecher Peter Elke ohne Zahlen nennen zu wollen. Und es seien viele ernst zu nehmende Beobachtungen darunter.
Die Sensibilität für das Thema sei merklich gewachsen in der Bevölkerung: Ob Schulen, Verwandte, Bekannte, Anwohner oder Eltern, die Verdacht schöpfen, dass ein Schüler, der eigene Nachwuchs oder auch der Nachbar aufs Dschihadisten-Gleis geraten sein könnte – die Signale der Besorgnis gingen oft vertraulich ein oder über den Facebook-Kontakt der Polizeibehörde, auch über den Notruf 110.
Unter den Tippgebern finden sich nach Angaben der Polizei inzwischen vermehrt Bewohner der Flüchtlingsunterkünfte in dieser Stadt. „Die Menschen sind in der Tat sehr aufmerksam und melden Verdächtige, selbst wenn es sich um Landsleute handelt“, sagt der Polizeisprecher, der an die Bürger appelliert: „Es ist wichtig, dass die Hinweise schnell kommen. Es wird schwierig, jemanden Verdächtigen eine Woche später auszumachen. Der Staatsschutz“, versichert Elke, „geht jedem Hinweis sofort nach, um schnellstmögliche Aufklärung zu erreichen.“
Signale der Besorgnis
Es sind Ermittlungen im Spannungsfeld zwischen grundloser Hysterie und Hinweisen mit Alarmpotenzial. Am Ende kann sich herausstellen, dass der auf einmal auffällig lange Bart des Nachbarns, den man vielleicht länger nicht gesehen hat, doch kein Ausdruck eines neuen radikalen Gedankenguts ist. Aber es werden auch Jugendliche ohne feste Lebensziele aber mit Dschihadisten-Videos auf dem Handy aufgetan, die dringend einer professionellen Hilfe bedürfen, um den Anwerbeversuchen radikaler Rekrutierer etwas entgegensetzen zu können.
Unterstützung ist für Essen inzwischen in Sicht: „Wegweiser“ soll bis Ende des Jahres an den Start gehen. Das Präventionsprojekt des Landes soll Jugendliche vor einem Abgleiten in die gewaltbereite Islamistenszene bewahren. In dieser Woche findet ein Treffen zwischen den beteiligten Institutionen – Stadt, Polizei, Jugendhilfe, Innenministerium – statt. Klar ist, dass die Stadt die Federführung für „Wegweiser“ übernehmen wird, bei dem in der Regel zwei Sozialarbeiter als Ansprechpartner bereit stehen. Sie fungieren als Aufklärer und Ansprechpartner, werden in Essen die Rolle eines Gefahren-Scouts übernehmen. Identifizieren sie Jugendliche auf Abwegen, sollen sie sie dem erprobten Netzwerk der Jugendhilfe in dieser Stadt übergeben, um dann wieder nach weiteren potenziellen Kandidaten Ausschau zu halten.
So weit die Grundzüge der künftigen Arbeit feststehen, so schwer tut man sich derzeit bei der Auswahl nach einem geeigneten Partner des Vertrauens in der örtlichen Islamszene – und das nicht erst seitdem sich die türkisch-islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) als Träger für „Wegweiser“ in Köln disqualifiziert hat. Das Innenministerium kündigte den Kooperationsvertrag umgehend.