Essen. . Am Landgericht müssen sich die Ex-AStA-Mitglieder Boris S. und Oliver B. verantworten. Sie sollen überhöhte Rechnungen an Dritte ausgestellt haben.

  • Staatsanwaltschaft beziffert den Schaden auf über 450 000 Euro
  • Gelernter Gastronom wurde als „Berater“ engagiert. Angeklagte: Faktisch war er Betriebsleiter
  • Alle getätigten Zahlungen seien notwendig und im Rahmen gewesen

Ist dies ein reiner Strafprozess oder die Fortsetzung einer politischen Auseinandersetzung mit zweifelhaften Mitteln? Seit Dienstag müssen sich die früheren Studenten-Vertreter der Uni Duisburg-Essen, Boris S. (40) und Oliver B. (46), vor dem Landgericht verantworten. Ihnen wird Untreue vorgeworfen, es geht um eine Schadenssumme von etwa 450 000 Euro. Als Geschäftsführer der „AStA Service GmbH“, die das KKC betrieb, eine Studentenkneipe, sollen sie überhöhte Rechnungen an Dritte ausgestellt haben – ohne die entsprechenden Leistungen zu empfangen.

„Beratung“ – für den Betrieb einer Studentenkneipe

Eine geschlagene Stunde dauert es an diesem Morgen, bis Staatsanwalt Gregor Hähner im stickigen Saal 347A die Anklageschrift verlesen hat: Zahlenkolonnen reihen sich aneinander; jede einzelne Rechnung, die S. und B. bezahlt haben sollen, zählt Hähner auf – 2311,39 Euro am 7. Februar 2011. Am 28. des Monats erneut 2380 Euro. Im März dann 1774,95 Euro und so weiter, über Jahre ging das so. Vor allem die regelmäßigen Summen an den Düsseldorfer Unternehmer Dursun S., der mitangeklagt ist, hält die Staatsanwaltschaft für unrechtmäßig.

S. ist gelernter Gastronom, arbeitet heute als Immobilienmakler. Als „Beratung“ sei seine Tätigkeit ausgewiesen worden – für den Betrieb einer Studentenkneipe. Auch die Überweisungen an Kerstin H.-R., die die Finanzbuchhaltung im Blick hatte, hält die Staatsanwaltschaft für überzogen. Es geht auch hier um rund 2000 Euro pro Monat.

Schließlich spricht der Angeklagte Boris S.. Er redet mehr als eine Stunde lang, es wird ein ausführliches Plädoyer in eigener Sache. Der frühere AStA-Chef, der erkennbar das Reden vor großem Publikum gewohnt ist, räumt mit ruhig gewählten Worten ein, dass es ein Fehler war, die Tätigkeiten von Dursun S. als „Beratung“ zu deklarieren. „Faktisch war er Betriebsleiter. Er hat alles gemacht, von den Einkäufen bis zur Rekrutierung von Personal.“ Entsprechend angemessen sei die Bezahlung gewesen.

Anonymes Schreiben an Medien

Er selbst und sein Kollege B. hätten die Unterstützung gebraucht, weil sie völlig ohne Erfahrung in der Gastronomie gewesen seien, „gleichwohl waren wir uns nicht zu schade, Fässer zu schleppen und am laufenden Band Bier zu zapfen.“ Den Betrieb des KKC in eine erfahrene Hand zu geben, sei Teil eines großen Sanierungsprogramms gewesen. Der AStA war damals hoffnungslos überschuldet.

Ein anonymes Schreiben, das an Politik und Medien ging, hatte 2011 die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ins Rollen gebracht. S. spricht aus, wen er für die Autoren des Schreibens hält, es sind Menschen der damaligen politischen Gegenseite in der Studentenvertretung; persönliche Eifersucht in einer amourösen Angelegenheit soll außerdem das Motiv des Schreibers gewesen sein, vermutet S. heute.

Der Verfasser des „Pamphlets“, so nennt es S., hatte damals tatsächlich versucht, S. in eine gewisse Nähe zur organisierten Kriminalität zu bringen. Von Geldwäsche war unter anderem die Rede – von den meisten Verdächtigungen in dem Schreiben, das muss man heute so sagen, ist nach den Ermittlungen nichts übrig geblieben. Ausnahme: die Untreue-Vorwürfe, die regelmäßigen, hohen Zahlungen. S. wirft der Staatsanwaltschaft vor, wichtige Dokumente, die die Arbeit von S. und H.-R. belegten, nicht berücksichtigt zu haben.

„Das Schreiben sollte mich vernichten, was mit einigem Erfolg gelungen ist“, berichtet S. mit ruhiger Stimme. „Ich halte diesen Prozess für eine politische Auseinandersetzung.“ Seine Arbeit für die CDU-Ratsfraktion in Duisburg habe er nicht fortsetzen können, sein letzter Job war „für sechs Euro netto“ in einem Call-Center. Er lebe heute von Arbeitslosengeld, müsse Psychopharmaka gegen Angst und Depression nehmen.

Der Prozess wird fortgesetzt. Ein Urteil ist frühestens Ende des Monats zu erwarten.

KKC und AStA: Immer wieder miese Schlagzeilen

Das KKC, mittlerweile geschlossen, war schon in den Vorjahren Schauplatz dubioser Vorgänge: Ein Verantwortlicher wurde gestoppt, weil er Kindern Alkohol ausgeschenkt haben soll.

  • Auch von sexuellen Übergriffen war vereinzelt die Rede. Schon in den Neunziger Jahren machten Geschichten von geklauten Kassen die Runde.

  • Die studentische Vertretung AStA („Allgemeiner Studierenden-Ausschuss“) geriet zwischen 2009 und 2012 regelmäßig bundesweit in die Schlagzeilen – auch weil Boris S. als AStA-Vorsitzender nicht freiwillig abtreten wollte, obwohl er nicht mehr eingeschrieben war. Die Uni strengte ein offizielles Amtsenthebungsverfahren an.