Essen-Katernberg. . Sarah Spilles (28) weiß, dass es keine Therapie gegen ihren Hirntumor gibt. Wie lange sie noch leben wird, ist ungewiss. Sie möchte noch heiraten.

Vor acht Jahren begann für Sarah Spilles der Marathon durch die Krankenhäuser. Von Schlaganfall bis Multiple Sklerose hörte die 28-Jährige die Mediziner so manche Diagnose aussprechen. Seit zwei Jahren hat sie Gewissheit: Ein Hirntumor ist die Ursache für ihre Schmerzen und der Grund dafür, dass sie manchmal kaum etwas sieht und ihre Beine nicht mehr unter Kontrolle hat.

Sarah Spilles hat gegen den Krebs gekämpft, mit Chemotherapien und Bestrahlungen. Bis die Ärzte Ende Mai den Satz sagten, der der jungen Frau den Boden unter den Füßen entriss: „Wir können nichts mehr für sie tun.“ Der Tumor sei inoperabel. Es gebe keine Therapie mehr für die 28-Jährige, die so lange gehofft hatte. Doch eine weitere Chemo würde ihre Organe zerstören, lautete die Prognose. Wie lange sie noch leben wird, kann ihr wiederum kein Arzt sagen. Fünf Jahre, vielleicht zehn.

Das alles weiß sie erst seit einigen Wochen, doch Sarah Spilles hat sich wieder einmal ganz langsam aus dem schwarzen Loch zurück in ihr Leben gekämpft, zu dem vor allem ihre Familie und ihr Partner zählen, der seit fünf Jahren an ihrer Seite ist. Und die 28-Jährige ist fest entschlossen: „Ich muss doch für sie da sein.“ So geht sie wieder jeden Morgen mit ihrem Hund spazieren, bevor sie zu ihrem Opa oder ihren Eltern auf den Pferdehof fährt und ein wenig mithilft, wenn es ihre Kraft zulässt.

Orthesen stützen ihre Beine, die ihr nicht mehr gehorchen wollen. „Die Ärzte nennen es Tremor, ich sage Zappelphilipp.“ Eine Kämpferin sei sie ohnehin schon immer gewesen. Zu lesen ist ihr Lebensmotto auf ihrem linken Unterarm: „Strong Fighter“ hat sie sich tätowieren lassen. „Damit ich nicht aufgebe“, sagt die Katernbergerin, deren Körper inzwischen zahlreiche Tattoos wie Blumen, betende Hände, Lebensuhr und Totenkopf trägt.

Um sich die Bilder stechen zu lassen, fährt sie nach Freisenbruch ins Tattoo-Studio. Dort hat sie neue Freunde gefunden; verloren hat sie viele der alten aus Kindertagen, die sich abgewandt haben. Die Menschen aber, denen Sarah Spilles heute begegnet, beeindruckt sie vor allem mit dem Lebensmut, den sie dem Tumor entgegensetzt.

„Sarah hat mich mit ihrer Stärke umgehauen“, beschreibt Tätowiererin Karina Novy (28) den Augenblick, als sie die Geschichte der Gleichaltrigen hörte. Sie weiß um die vielen traurigen Momente, aber vor allem spüre sie Sarahs Kraft. Und weil diese auch Inhaber Ramon von der Brüggen (38) berührt, bezahlt Sarah Spilles ihre Tattoos mit ihrem Lächeln, sagt der 38-Jährige. Während die sich bei diesen Worten eine Träne wegwischt, belassen es ihre Freunde längst nicht dabei. Seit einiger Zeit steht ihre Geschichte im Internet. Karina Novy und Ramon von der Brüggen werden zudem einen Tag lang Tattoos für die 28-Jährige stechen. Beide Aktionen dienen dazu, Spenden zu sammeln: Sie möchten Sarah einige Wünsche erfüllen.

„Ich möchte meinen Freund heiraten“, sagt Sarah Spilles mit leuchtenden Augen. Erst sollte es bei ihrem Lieblingsverein im Stadion auf Schalke sein, nun träumt sie von ihrem großen Tag im weißen Kleid auf dem Gelsenkirchener Schloss Berge. Sie würde auch gern mit einem Heißluftballon fliegen und eine Städtereise nach Hamburg oder Berlin machen.

Die Helfer und deren Spendenaktionen

Ohne ihre Freunde und deren Ideen wird Sarah Spilles sich ihre Wünsche kaum erfüllen können. Nicht allein wegen der Kraft und Zeit, die ihr fehlen könnten. Es ist ihre berufliche Zukunft und damit finanzielle Situation, die ihr Sorge bereiten. Die 28-Jährige hat ihre Ausbildung zur Altenpflegerin abbrechen müssen. Am 1. September will sie wieder ins zweite Lehrjahr einsteigen, so sei es mit ihrem Chef vereinbart, wenn es ihr Körper zulässt. Denn im August läuft das Krankengeld aus, von dem sie derzeit lebt. Und die Vorstellung von Hartz IV leben zu müssen, ist für Sarah Spilles nur schwer erträglich. „Unerträglich wäre mein Leben aber, wenn ich ständig darüber nachdenken würde, dass ich todkrank bin“, sagt sie. „Natürlich hatte ich Angst vor dem Tod, aber ich will jetzt jeden Tag genießen.“

Das nächste Tattoo soll auf jeden fall bald folgen und ihren Oberschenkel zieren: Phönix aus der Asche. „Das Motiv wollte ich mir stechen lassen, wenn der Krebs endlich besiegt ist“, erzählt Sarah Spilles. Nun ist es anders gekommen und sie kämpft weiter und lächelt: „Gott wird sich etwas dabei gedacht haben, wenn er da oben jemanden mit großer Klappe braucht.“

Ramon von der Brüggen, Inhaber des Tattooladens „Blood-n-Steel“ auf der Bochumer Landstraße hat mit seinem Team eine Spendenaktion für Sarah Spilles gestartet: Er wird mit Kollegin Karina Novy am 4. September bei jeweils 18 Kunden Tattoos für 50 Euro stechen. Der Tag sei schnell ausgebucht gewesen, aber es hätten einige gespendet, obwohl sie keinen Termin mehr erhalten haben, freut er sich über den Erfolg. Kontakt zum Tattoo-Studio unter: 0152-31 90 30 41

Im Internet steht die Geschichte von Sarah Spilles auch unter: https://www.leetchi.com/c/organisationen-von-sarah