Essen. Der Rückzug der Essener SPD-Bundestagsabgeordneten Petra Hinz könnte sich noch bis Mitte September hinauszögern. Hinz habe sich krankgemeldet, so ein Sprecher des Bundestags.

Nach dem Skandal um einen gefälschten Lebenslauf könnte sich der freiwillige Rückzug SPD-Bundestagsabgeordneten Petra Hinz aus Essen noch bis Mitte September hinauszögern. Die umstrittene Politikerin habe sich vorerst krank gemeldet. Man habe sie auch nicht erreichen können, sagte ein Sprecher des Bundestages am Montag. Trotz Rücktrittsankündigung sei bis Montag noch keine Verzichtserklärung eingegangen.

Mehrfach habe die 54-Jährige die Versuche des Bundestags, ihr für den angekündigten Mandatsverzicht noch im Juli einen Termin bei Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zu verschaffen, scheitern lassen, hieß es weiter. "An uns liegt es nicht. Wir haben zeitnah Termine angeboten", sagte Bundestagssprecher Ernst Hebeker. "Der Bundestagspräsident war bereit, dafür nach Berlin zu kommen. Der Ball ist jetzt im Feld von Frau Hinz."

Ärztliche Bescheinigung eingereicht

Ihren Anwälten zufolge hat Hinz den Bundestagspräsidenten um ein schnellstmögliches Treffen gebeten. Für den Monat August stehen Hinz nun noch die Abgeordnetenentschädigung von rund 9300 Euro und die steuerfreie Aufwandspauschale in Höhe von etwa 4300 Euro zu. Nach Angaben des Bundestagssprecher hatte Hinz am vorigen Mittwoch allerdings eine ärztliche Bescheinigung eingereicht und per Mail um einen neuen Termin mit Lammert Mitte September gebeten. Das würde bedeuten, dass sie auch im September noch fast 14.000 Euro Abgeordnetenentschädigung und Kostenpauschale bekäme.

Hinz hatte zugegeben, entgegen bisherigen Angaben kein Abitur erlangt und keine juristischen Staatsexamina abgelegt zu haben. Am Montag forderte der Essener SPD-Chef und NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) seine Parteifreundin auf, endlich ihren Rücktritt zu erklären. Es dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, als wolle sie auch noch die Diät für September kassieren.

Welche Teile der Hinz-Biografie überhaupt stimmen, ist unklar. Auf ihrer aktuellen Homepage ist diese Seite leer. Die Pseudo-Juristin, die nach eigenen Angaben mal ein Sparkassen-Praktikum absolviert hatte, hat aber nicht mal Abitur. Am 20. Juli hatte sie über ihre Anwälte erklären lassen, sie werde als Konsequenz aus der Affäre ihr Mandat niederlegen, wolle dies aber in einem persönlichen Gespräch mit Bundestagspräsident Norbert Lammert tun. Der ist allerdings laut einer Sprecherin noch bis Mitte August im Urlaub.

Rücktritt auch auf anderem Weg möglich

Kutschaty, der den Vorsitz des krisengebeutelten Essener SPD-Unterbezirks erst im Mai übernommen hatte, reißt nun offenbar der Geduldsfaden. Es sei nicht nötig, auf ein Gespräch mit Lammert zu warten, stellt er fest. Hinz könne ihren sofortigen Rücktritt auch mit einer notariellen Erklärung besiegeln.

Der Justizminister macht keinen Hehl mehr aus seiner Verärgerung und gewährt nun Einblick hinter die Kulissen der Affäre Hinz. Mit ihrer geschönten Biografie habe sie "sich selbst und der Partei großen Schaden zugefügt", bekräftigt er. Noch am Tag, als er davon erfahren habe, habe er sie abends in einem Telefonat zum Rücktritt aufgefordert. Der lange Austausch, der bei Hinz sämtliche Facetten menschlicher Emotionen zum Ausbruch gebracht habe, habe leider nicht zum erwünschten Resultat geführt, ließ Kutschaty durchblicken. "Am Tag danach habe ich dann auch öffentlich den Rücktritt gefordert - das hätte ich sonst nicht mehr getan."

Die Staatsanwaltschaft Essen prüft unterdessen, ob Hinz' Höhenflug auch strafrechtliche Konsequenzen hat. Bislang lägen etwa ein Dutzend Anzeigen vor - überwiegend wegen Betrugs, teilte die Behörde mit. Die müssten nun geprüft werden. Kutschaty erläutert, der Beruf des Rechtsanwalts sei rechtlich geschützt. Dies gelte aber nicht für die Bezeichnung "Jurist". Die Staatsanwaltschaft prüft außerdem, ob Hinz sich mit ihrer Biografie-Fälschung auch finanzielle Vorteile verschafft hat, die strafrechtlich relevant wären.

SPD-Unterbezirksvorstand erhöht den Druck

Mit verschiedenen Beschlüssen will der Essener Unterbezirksvorstand den Druck auf die Bundestagsabgeordnete nun erhöhen: Nach Beratungen am Montagabend heißt es, Hinz solle unverzüglich und spätestens innerhalb von 48 Stunden ihr Mandat niederlegen. Gleiches gelte für alle weitere Parteifunktionen. Ein Parteiausschlussverfahren als schärfste Sanktion wird zunächst nicht eingeleitet.

Kutschaty äußert sich skeptisch über einen Parteiausschluss. "Ob das eine Lösung ist, wage ich zu bezweifeln." Er hält es aber nicht für tragbar, dass Hinz noch immer Vorsitzende des Essener Ortsvereins Frohnhausen ist. Ihm sei nie aufgefallen, dass Hinz keine Juristin sei, bekräftigt der Politiker, der selbst jahrelang als Rechtsanwalt in einer Essener Kanzlei tätig war. Es habe aber auch wenig persönlichen Kontakt gegeben.Eine Konsequenz will der Essener Parteichef aus der Affäre auf jeden Fall ziehen: "Ich schaue mir die Lebenläufe genauer an von denen, die wir für Wahlen nominieren." Zeugnisse will sich Kutschaty aber nicht vorlegen lassen. "Das widerstrebt mir. Basis muss Vertrauen sein."(dpa)