Essen. Das Jugendamt und der Sozialdienst katholischer Frauen werben um Gasteltern und ehrenamtliche Vormünder, die Verantwortung übernehmen wollen.

Nein, sie haben keine süßen Säuglinge „im Angebot“, auch keine knuddeligen Kleinkinder. Und unter den 414 jungen Flüchtlingen, die bislang ohne ihre Eltern nach Essen kamen, sind auch nur eine Hand voll Mädchen. Der Rest junge Männer in spe, zwischen 15 und 18 Jahre alt, die nach Jahren der Flucht vor Krieg und Völkermord teils traumatisiert sind, die die deutsche Sprache kaum oder gar nicht beherrschen, von denen sich aber viele nichts sehnlicher wünschen als jene Geborgenheit, die ihnen wohl nur eine Familie bieten kann.

Das wissen auch die Verantwortlichen des Jugendamts und des Sozialdiensts katholischer Frauen, die die jungen Flüchtlinge gemeinsam mit anderen Trägern in mehreren Einrichtungen dieser Stadt seit Monaten intensiv betreuen. „Wir sind fast voll“, sagt Jugendamts-Chefin Annette Berg mit Blick auf die Kapazitäten. 34 weitere unbegleitete minderjährige Flüchtlinge muss Essen noch aufnehmen, um seine Quote zu erfüllen.

Weichen für Integration stellen

In den diversen Häusern der Jugendhilfe bekommen die Jugendlichen und Heranwachsenden, die Essen seit November in nie dagewesener Zahl zugewiesen worden sind, Schutz, Erziehung und schulische Förderung. Doch um in Essen auf Sicht heimisch werden zu können, brauchen die Syrer, Afghanen, Iraker und Afrikaner mehr: aufgeschlossene, verantwortungsvolle Ansprechpartner, die ihnen helfen, sich in ihrer neuen Umgebung zurechtzufinden und die ihre Integration befördern wollen.

Das Jugendamt der Stadt und der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) wollen in den nächsten Wochen die Weichen dafür stellen, um dieses Ziel zu erreichen. Dafür benötigen die Partner Unterstützer: Geeignete Gastfamilien, die die jungen Menschen für mindestens zwei Monate oder länger aufnehmen wollen, und ehrenamtliche Vormünder, die ihnen zusätzlichen Halt geben und sie in allen gesellschaftsrechtlichen Fragen unterstützen.

Fachleute beurteilen Eignung

Am Dienstag stellten Sozialdezernent Peter Renzel, Petra Rosen, Leiterin der stationären Jugendhilfe beim SkF, Susanne Schreinert vom Jugendamt, Annette Berg, Jugendamtsleiterin, und Björn Enno Hermans, Geschäftsführer des SkF ihr gemeinsames Konzept vor, das letztlich auf drei Beinen steht: die dauerhafte Unterbringung in Gastfamilien, die vorübergehende Aufnahme für die Dauer von zwei Monaten oder länger und die ehrenamtliche Vormundschaft für einen jungen Menschen auch über das 18. Lebensjahr hinaus, wenn die Tätigkeit der hauptamtlichen Vereins- und Amtsvormünder aus rechtlichen Gründen endet.

Das Auswahlverfahren, wer am Ende zu wem passen könnte, soll behutsam und mehrstufig sein. Fachleute führen Vorgespräche mit den künftigen Gasteltern und beurteilen bei Hausbesuchen deren Eignung. Auch der Jugendliche muss seine Zustimmung geben, in einer Familie leben zu wollen, bevor es zu einem ersten Kontakt kommt. Erzieherisch begabte und liebevolle Gastfamilien sollten dem Neuzugang ein eigenes Zimmer bieten können, über ein gesichertes Einkommen verfügen, straffrei sein und genügend Zeit für die vielfältigen Aufgaben mitbringen, die anstehen. Das Pflegegeld, das sie für ihre wichtige Arbeit bekommen, sollte ein eher nachrangiges Motiv für die Aufnahme eines fremden Jugendlichen sein.

Renzel warnt davor, sich einfach mal so einen der jungen Menschen ins Haus holen zu wollen: „Das ist hier kein Zalando für Flüchtlinge.“