Essen. . Ein Rüttenscheider und zwei Polizisten berichten von dem dramatischen Einsatz, bei dem sie und andere Helfer versucht haben, einen Mann zu retten.
- Sebastian Seegenschmidt sitzt im Biergarten, als das Unglück seinen Lauf nimmt
- Zusammen mit einem Schwimmlehrer ist er der erste am gesunkenen Autowrack
- Nach der Rettungsaktion gibt es ein Wiedersehen mit zwei von 19 Polizisten im Einsatz
Sebastian Seegenschmidt sitzt im Biergarten an der Werdener Ruhr, als ein lautes Krachen schräg über ihm die Beschaulichkeit des Pfingstmontags unwiederbringlich verscheucht. Ein Szenario des Schreckens nimmt seinen schier unaufhaltsamen Lauf: Ein blauer Seat kracht auf der Brücke über dem Fluss in ein anderes Auto, erfasst zwei Radler, mäht einen Ampelmast um, durchbricht das Brückengeländer, hängt ein paar Sekunden auf der Kippe, bevor es vor den Augen des 32-Jährigen aus Rüttenscheid mit dem Dach voran auf die Wasseroberfläche klatscht und langsam versinkt.
Im dunklen Gewässer können Helfer keine zehn Zentimeter weit sehen
Aufgeschreckt zögert Seegenschmidt keine Sekunde, wirft sich zusammen mit einem Schwimmlehrer in die 15 Grad kalten Fluten und schwimmt vom gegenüberliegenden Ufer zu dem Autowrack. Die beiden Männer tauchen und tasten sich vor in dem dunklen Gewässer, in dem sie keine zehn Zentimeter weit sehen können. Dennoch haben sie ein Ziel fest vor Augen: Den oder die Menschen, die mitsamt ihres Wagens untergegangen sein dürften, irgendwie zu befreien, sie vor dem Ertrinken zu retten.
Der Mediengestalter und sein Begleiter sind die allerersten am Einsatzort. So schnell wie sie eintreffen, wird die Luft knapp, der Körper kalt. Doch Unterstützung naht: Im Laufschritt nähern sich sechs Zivilpolizisten der Inspektion Mitte und 13 Beamte des ersten Zugs der Essener Einsatzhundertschaft, die für Sicherheit auf dem 450 Meter entfernten Pfingst-Open-Air im Löwental sorgen. Sie reißen sich Ausrüstung und Uniformen vom Leib und springen ebenfalls in die Ruhr.
„Dann haben wir nur noch Vollgas gegeben“, erinnert sich Sebastian Seegenschmidt. Als der bewusstlose Mülheimer nach etwa 15 Minuten unter Wasser aus seinem Auto befreit und schließlich von einem Notarzt wiederbelebt werden kann, klirren ihre Körper vor lauter Kälte. Tauchen, sich vortasten und immer wieder nach Luft schnappen, dann, endlich, das ersehnte Aufatmen: Der Mann ist erst einmal gerettet. Am Mittwochmorgen dann die traurige Nachricht: Der 58-Jährige ist am Dienstagabend verstorben.
Taucherbrille wäre in der Ruhr Gold wert gewesen
Einen Tag nach dem dramatischen Einsatz in Essen-Werden gibt es ein Wiedersehen zwischen Seegenschmidt, der Polizeikommissarin Judith Herold (23) und dem Oberkommissar Michael Zimmer (29), um stellvertretend für alle anderen Beteiligten über die nicht alltägliche Hilfsaktion mit vereinten Kräften zu berichten.
„Eine Taucherbrille wäre Gold wert gewesen“, sagt Michael Zimmer. In dem trüben Wasser sei noch nicht einmal zu erkennen gewesen, „wo vorne, wo hinten bei dem Auto war“. Unter Wasser gelingt es den Polizisten dann doch irgendwie, den Wagen vom Dach auf die Räder zu drehen. Durch die zerbrochenen Seitenscheiben bekommen die Helfer nach einer gefühlten Unendlichkeit endlich einen Arm des 58-Jährigen zu fassen und ein wenig Orientierung. Mit Messern befreien sie ihn aus seinem Sicherheitsgurt und bringen ihn an die Oberfläche auf eine angeblich schwimmfähige Trage, die allerdings nicht das halten kann, was man ihr nachsagt: Fast überflüssig zu erwähnen, dass sie erst einmal wieder versinkt.
„Hebt den Kopf, hebt den Kopf“, haben sie immer wieder geschrien, erinnert sich Judith Herold: „Und dann haben wir ihn über Wasser halten können.“ Es braucht am Ende die schwindende Kraft von zehn Helfern, um den Autofahrer schließlich ans Ufer zu bringen.
Polizeipräsident Frank Richter wird deshalb alle Helfer für die NRW-Rettungsmedaille vorschlagen, sagt Polizeisprecher Ulrich Faßbender, und sie am Mittwoch zu einem Empfang ins Präsidium einladen. Bis auf einen: Der Schwimmlehrer, der zusammen mit Sebastian Seegenschmidt als erster ins Wasser sprang, konnte nach dem Einsatz nicht mehr ausfindig gemacht werden, ist aber ebenfalls herzlich um 17 Uhr ins Präsidium an der Büscherstraße eingeladen.