Essen. Der Regisseur Moritz Peters inszeniert „Der gute Mensch von Sezuan“. Brechts Parabel hat im Grillo-Theater Premiere

Moritz Peters ist ein politischer Mensch. So kommt ihm nach Kafkas „Der Prozess“ und dem Kriegsdrama „Eine Jugend in Deutschland“ Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“ gerade recht. Zwar ist ihm keine eigene Fassung vergönnt, aber mit der Musik von Paul Dessau stellt sich dem Regisseur eine neue Herausforderung. „Nah dran an Brecht“ inszeniert der 34-Jährige im Grillo-Theater die Parabel, die mit der Ausbeutung von Arbeitern in der Weimarer Republik andockt, doch erst 1943 in Zürich uraufgeführt wurde. Neben der Kapitalismuskritik formuliert sie politisch zeitlose Fragen.

Auch wenn die Brecht-Erben Fremdtexte in der Aufführung nicht zulassen und sehr genau auf die verwendete Partitur schauen, Platz für Interpretation sieht der Regisseur genug. Das fängt bei der Streichung überholter sozialistischer Begriffe an und setzt sich in der Verbindung von Inhalt und Bühne fort. „Das bildet für mich eine Einheit“, so Moritz Peters, der daran mitgearbeitet hat. Mit wenigen Mitteln öffnet er einen atmosphärischen Raum. Einfache Andeutungen charakterisieren die Kostüme.

Tagespolitik außen vor lassen

Es regnet fast ohne Unterlass. Doch nicht alle werden nass. Die Obdachlosen haben zwar Decken, aber keine Wahl. Die Besitzenden haben Schuhe und Regenschirme und, wenn es gut läuft, einen Platz im Container von Shen Te. Die Ex-Prostituierte wurde dank ihres großen Herzens von den Göttern reichlich bedacht. Sie kommt zu einem Tabakladen, der fast pleitegeht, weil sie sich ausnutzen lässt. Da zeigt sie mit dem erfundenen Vetter Shui Ta eine Seite von sich, die mitleidslos zum Erfolg führt, aber die Liebe zum Piloten Yang unmöglich macht. Der Arbeitslose braucht ihr Geld, um einen Job zu ergattern.

Für Moritz Peters ist der rigorose Shui Ta nur eine Facette von Shen Te. „Keiner der beiden ist überlebensfähig, jeder muss sich des anderen bedienen. Ich möchte sie als eine Figur denken“, betont der Regisseur. Eine, die trotz ihres Selbstbewusstseins, an ihrem eigenen Anspruch gut zu sein, scheitert. „Wir sehen das an der Flüchtlingshilfe. Man teilt gern und will sich dennoch abgrenzen. Oder bei der Bekleidungsindustrie. Die Ausbeutung von Arbeitern in Pakistan oder Indien ist eine direkte Folge unseres Handelns. Ich stecke ja selbst in dem Dilemma. Ich könnte meine Kleidung fair gehandelt kaufen, tue es aber nicht“, erklärt Moritz Peters. Obwohl er die Tagespolitik außen vor lassen will, gibt es mit der T-Shirt-Produktion, die Shen Te später betreibt, eine Anspielung auf heutige Verhältnisse.

Vorhang zu und alle Fragen offen

Die von Brecht gewollte Teilhabe des Zuschauers steckt ohnehin im Stück drin, da sieht sich Peters mehr verantwortlich für die Anbindung über emotionale Zustände. Sehnsucht nach einer Lösung der Konflikte habe er und zeigt, dass es keine Zusammenführung gibt. „Das muss der Mensch aushalten“, sagt er. Oder in Brechts Worten: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen/ den Vorhang zu und alle Fragen offen.“