Essen. . Die Stadt versucht bislang vergeblich, die Szene vom Willy-Brandt-Platz zu verdrängen. Immerhin: Eine Lösung gibt es bald für die stinkende Nottreppe.

  • Die Stadt versucht, die Szene vom Willy-Brandt-Platz zu verdrängen
  • Die Taktik fruchtet bislang aber nicht
  • Immerhin deutet sich ein Ende des stinkenden Notausgangs am Handelshof an

Die wärmende Frühlingssonne hat es wieder geruchlich in Erinnerung gebracht: das „Freiluft“-Klo zwischen Willy-Brandt-Platz und Handelshof. Es sollte schon vor über zwei Jahren zugeschüttet sein. Nun aber kündigt sich die nächste warme Jahreszeit an und der zum „stillen Örtchen“ umfunktionierte Notausgang von Kaufhof und U-Bahn verbreitet weiter seinen Gestank.

Wer die leise Hoffnung hegte, dass sich das Problem mit der angekündigten Verdrängung der Trinkerszene bessert, vielleicht sogar erledigt, sieht sich getäuscht. Die Szene nutzt offensichtlich die Nottreppe weiter als „Open-Air-Klo“. Daran hat auch die verstärkte Präsenz der Ordnungshüter nicht viel geändert, auch wenn unter deren Augen freilich niemand das Örtchen aufsucht. Den neuen Trinkertreff mit Pissoir an der Hollestraße jedenfalls nehmen die Suchtkranken nicht an.

50 Platzverweise und sieben Verwarngelder seit 1. April

Wenigstens scheint es nun endlich eine Lösung für das Open-Air-Klo zu geben. Der Eigentümer der Kaufhof-Immobilie, die Koerfer’sche Verwaltungsgesellschaft, hat mit dem Umbau des Notausgangs im Kaufhof begonnen. Ende Mai soll die neue Lösung stehen. Dann liegt es bei der Stadt, die Nottreppe zuzuschütten.

Dieses Foto entstand etwa drei Stunden nach der obigen Aufnahme.  Da war die Trinkerszene wieder da.
Dieses Foto entstand etwa drei Stunden nach der obigen Aufnahme. Da war die Trinkerszene wieder da. © FUNKE Foto Services

Wo die Szene dann ihre Notdurft verrichtet, ist offen. Die Verdrängungsstrategie von Ordnungsdezernent Christian Kromberg hin zur Hollestraße ist bislang nicht aufgegangen. Die Trinker finden sich gerade zur Mittagszeit regelmäßig auf dem Willy-Brandt-Platz ein. Zwar ist auch das Ordnungsamt täglich mit zwei Mitarbeitern bis zu sechs Stunden vor Ort. Allein seit 1. April sprachen die Beamten 50 Platzverweise aus und verhängten sieben Mal Verwarngelder.

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Doch die Zermürbungstaktik geht nicht auf. Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel, wie am Donnerstag deutlich wurde: Das Ordnungsamt ließ am Mittag wegen Drogenhandels den Platz räumen, drei Stunden später stand die Szene wieder da. Kromberg ist dennoch überzeugt: „Wir laufen auf einen Erfolg zu, aber wir brauchen einen langen Atem und den werden wir haben.“

Verdrängungstaktik fruchtet nicht

Jedoch auch die regelmäßigen Besuche der Streetworker ändern bislang nichts. „Wir sprechen zwar regelmäßig mit den Leuten, aber mehr Mittel als Worte haben wir nicht“, sagt die Geschäftsführerin der Suchthilfe, Bärbel Marrziniak. Seit einigen Monaten stellen Suchthilfe und Sozialverbände anderthalb Streetworkerstellen, die sich um verschiedene Brennpunkte in der Innenstadt kümmern.

Der Willy-Brandt-Platz steht dabei im Fokus. Von Januar bis Ende März seien die Streetworker 80 Mal vor Ort gewesen und hätten insgesamt 800 Personen angetroffen. Die Zahlen unterstreichen: Die seit Anfang Februar laufende Verdrängung fruchtet nicht. Marrziniak sieht sich in ihrer Skepsis bestätigt: Der Willy-Brandt-Platz ist für die Szene viel ansprechender als der abgelegene Platz an der Hollestraße.

Trinkertreff auf dem Willy-Brandt-Platz wurde vom Ordnungsamt per Platzverweis aufgelöst
Trinkertreff auf dem Willy-Brandt-Platz wurde vom Ordnungsamt per Platzverweis aufgelöst © Stefan Arend / FUNKE Foto Services

Marc Heistermann, Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes, beobachtet die Entwicklungen genau. Seit das Ordnungsamt kontrolliere, sei es sauberer vor Ort und die Szene lege ein friedlicheres Verhalten an den Tag, so seine subjektive Einschätzung. Doch Heistermann ist skeptisch: Die Präsenz der Ordnungshüter sei auf Dauer nicht zu halten. „Da muss man angesichts der Haushaltslage der Stadt kein Visionär sein.“ Heistermann fordert deshalb erneut das schon einmal angedachte Alkoholverbot. Man bekomme das Problem nur in den Griff, wenn dem Ordnungsamt wirksame Mittel an die Hand gegeben würden. Kromberg hält dagegen: Ein Alkoholverbot würde ebenso Kontrollen erfordern. Er plädiert daher für eine Videoüberwachung im Bahnhofsumfeld.

Frida-Levy-Schule: Eltern pochen auf ein Gespräch

In einem offenen Brief an die Stadtverwaltung hat unterdessen die Elternschaft der Frida-Levy-Gesamtschule noch einmal gegen die Umsiedlung des Trinkertreffs protestiert und Gesprächsbereitschaft angemahnt. Die Maßnahme sei „ein negatives Signal für die Entwicklung der Schule und ihres Umfeldes“, weil der Treff viel zu nahe an das Hauptgebäude der Schule herangerückt ist.

Die Schulpflegschaft habe sich deshalb im Oktober 2015 schriftlich an alle mittelbar und unmittelbar beteiligten Dezernenten mit der Bitte um ein Gespräch gewandt. „Nicht ein Dezernat hat auf das Schreiben reagiert“, heißt es in dem offenen Brief. „Die (nach der Installation des Trinker-Klos) öffentlich beteuerte Gesprächsbereitschaft scheint für uns nicht zu gelten.“

Die Eltern möchten wissen, welche Pläne die Stadtverwaltung für das Areal einschließlich des ehemaligen VHS-Geländes verfolgt, und wie diese Pläne sowie die Ansiedlung der Trinkerszene mit der Pflege und Fortentwicklung der Schule in Einklang zu bringen seien. Doch egal was passiere: „Die Eltern der Frida-Levy-Gesamtschule können nicht erkennen, wie die Installation des Trinker-Pissoirs als fördernder Auftakt für solche oder vergleichbare Entwicklungspläne wirken sollte.“ Dabei gehe es auch um eine Kindertagesstätte auf Kosten von Sport-Flächen der Schule. „Wir verstehen insgesamt nicht, warum die Stadtverwaltung einerseits wegen wachsender Nachfrage über eine neue Gesamtschule nachdenkt – und gleichzeitig eine existierende und beliebte, zentral gelegene Gesamtschule wie unsere derart gering achtet und vernachlässigt, als sollte sie bald geschlossen werden“.

Die Eltern erneuerten ihren dringenden Wunsch nach einem Gespräch. „Damit es nicht am fehlenden Treffpunkt scheitert, laden wir, die Genehmigung der Schulleitung vorausgesetzt, gern in unser einst recht schönes Schulgebäude an der Varnhorststraße ein, ganz nah beim Rathaus“, heißt es spitz.