Essen. . Für eine Fortsetzung der Ausstellung „Conflict, Time, Photography“ des Museums Folkwang haben sich Studenten mit den Narben des Zweiten Weltkrieges in Essen beschäftigt.
Nur ein zarter L-förmiger Strich erinnert an einen Dreifachmord kurz vor Kriegsende: Am 7. April 1945 wurden in der Fischlaker Maasstraße die fahnenflüchtigen Freunde Hans van der Mee, Helmut Hawes und Johann Hansjosten umgebracht. Die jungen Essener waren auf Fronturlaub und beschlossen aufgrund der Situation – die Alliierten standen bereits am Rhein-Herne-Kanal – nicht zu ihrer Einheit zurückzukehren.
Acht Orte in Essen, acht Kriegsverbrechen
An der Stelle, wo sie hingerichtet wurden, hat sich Lisa Gutscher auf dem Gehweg hingekniet, ein Blatt Papier ausgebreitet und mit einem Bleistift eine Frottage – eine Abreibung der Oberfläche – erstellt. „Die Wunde“ nennt die Kunststudentin ihr Werk, für das sie insgesamt acht Orte in der Stadt, an denen Kriegsverbrechen stattgefunden haben, auf dieselbe, fast beiläufig wirkende Art hervorgehoben hat. Ihre fragmentierten Frottagen stehen so im Kontrast zu den schrecklichen Ereignissen.
Ihre Arbeit ist Bestandteil der lokalen Fortsetzung der Folkwang-Ausstellung „Conflict, Time, Photography“. Für das vom Museum ausgeschriebene Projekt haben sich acht Studierende, unterstützt vom Haus der Geschichte, mit der Vergangenheit auseinandergesetzt und sind Spuren nachgegangen, die der Zweite Weltkrieg in Essen hinterlassen hat. „Allen Beiträgen gemein sind das Ungesagte, die Abwesenheit, das Fehlen von eindeutigen Spuren, Hinterlassenschaften und Zeichen“, erläutert Projektleiter Sebastian Bartel die Arbeiten, die in einem bemerkenswerten Bildband präsentiert werden. Dazu gehören die Tagebuchaufzeichnungen eines NSDAP-Mitgliedes wie die fotografischen Recherchen zu Bunkerbauten, Zerstörung und Wiederaufbau oder ehemaligen Kriegsgefangenenlagern.
Nur ein Porzellankätzchen überstand den Bombenhagel
Mit einer ungewöhnlichen Arbeit hat sich Dennis Theisen mit der Kruppschen Waffenschmiede auseinandergesetzt: Über tausend goldglänzende Patronenhülsen lässt der Kunstpädagogik-Student eng aneinandergeschmiegt von der Decke eines Bunkers hängen. Er schafft damit eine Installation, die in ihrer filigranen Schönheit einen klaren Kontrast schafft zum gängigen Bild, das man mit Patronen verbindet. Dass seine Konstruktion nur wenig später zerbarst, war nicht gewollt – doch gerade da nähert sich das distanzierte Werk der realen Geschichte wieder an.
Museum Folkwang zeigt Kriegsschäden
Fragmente, rudimentäre Spuren und wenige Aufzeichnungen – viel mehr ist nicht übrig geblieben, das sich mit den Erlebnissen einer Zeitzeugin deckt, die den Bombenhagel in Holsterhausen erlebte. Tabea Borchardt ist ihr begegnet und hat ihre Erinnerungen fotografisch festgehalten. Darunter eine besonders berührende Spur: ein Porzellankätzchen, das als einziger Gegenstand den Bombenangriff auf das Elternhaus in der Steinhausenstraße 23 überstand und das die Holsterhauserin bis heute wie einen Schatz hegt.
Buch „Geschich_tet“ im Museum Folkwang erhältlich
Das Buch „Geschich_tet“ ist ausschließlich im Museum Folkwang erhältlich. Mit Beiträgen von Mayk Förster, Tabea Borchardt, Isabell Hoffmann, Dennis Theisen, Lisa Gutscher, Vladimir Unkovic, Jana Scholz und Annika Thilker, Janosch Rauter und einem Nachwort von Peter Daners und Sebastian Bartel. ISBN 978-3-00-051910-9 , Schutzgebühr: € 8,00.
Das Museum Folkwang verlost fünf Exemplare dieses Geschichten-reichen Bildbandes unter allen Interessenten. Wer an dem Gewinnspiel teilnehmen möchte, schreibt eine Mail mit der Nennung von Namen und Adresse an marketing@museum-folkwang.essen.de. Einsendeschluss ist der 14. Februar. Den Gewinnern wird das Exemplar zugeschickt.