Essen. . Unter dem neuen Namen „Wir für Essen“ wollen die 40 Mitglieder beim Karnevalsumzug in Essen das erste Mal für Ordnung und Sicherheit sorgen.

Bei der heftig umstrittenen Gründung vor einer Woche nannten sie sich noch „Bürger(Wehr) Essen“. Inzwischen hat sich die Initiative einen moderat klingenden Namen verpasst: „Wir für Essen“ mit einem Smiley dahinter. Nichts geändert hat sich an den ursprünglichen Zielen, nämlich in der Stadt für mehr Sicherheit und Ordnung zu sorgen und insbesondere Straftaten zu verhindern. Jetzt steht auch fest, wann der umstrittene Freiwilligenverband zum ersten Mal öffentlich in Aktion treten wird: an Rosenmontag. „Wir werden am Karnevalsumzug auf der Martinstraße im Einsatz sein“, sagt „Wir für Essen“-Sprecher Heiko Scheidereiter unserer Redaktion.

Details würden aber erst am Tag selbst mitgeteilt, heißt es abwehrend. Fest stehe bisher, dass etwa 40 Mitglieder der Gruppe – Männer und Frauen – zum Einsatz kämen. Auf ein einheitliches Erscheinungsbild werde Wert gelegt. „Wir tragen orangefarbene Pullover, um uns abzuheben“, teilt der Sprecher mit.

Polizei ist strikt gegen Bürgerwehren

Das Thema Bürgerwehr kocht seit den skandalösen Übergriffen und Vergewaltigungen in der Silvesternacht von Köln überall im Lande hoch. Mit der Rosenmontags-Aktion will „Wir für Essen“ ein klares Zeichen setzen. „Wir lassen uns nicht unterkriegen“, betont ihr Sprecher.

Den Polizeien im Land – auch der in Essen – sind Bürgerwehren ein Dorn im Auge. Allein schon ihre Existenz verbreitet die ätzende Botschaft, dass Polizei und Justiz angeblich zu lasch, zu nachgiebig und zu ohnmächtig auf die Bedrohung durch kriminelle „Antänzer“ reagiere. „Die Polizei in Essen ist strikt gegen Bürgerwehren, wir beobachten diese Entwicklung mit Sorge“, stellt Sprecher Marco Ueberbach unmissverständlich klar. Von vornherein untersagen kann die Polizei die Aktion der Essener Bürgerwehr allerdings nicht. Einschreiten müsste sie erst dann, wenn sich die Gruppe hoheitliche Aufgaben anmaßen und das Gewaltmonopol des Staates infragestellen würde. „Wir werden ganz bestimmt ein Auge draufhaben“, heißt es.

Auffällige Verbindungen der Bürgerwehren

Um Missverständnissen vorzubeugen, betont das Präsidium: Gegen den aufmerksamen, sicherheitsbewussten und besonnenen Bürger, der verdächtige Vorkommnisse umgehend der Polizei melde, sei überhaupt nichts einzuwenden. „Wir brauchen den Bürger und seine Beobachtungen“, bekräftigt Sprecher Ueberbach. Doch zugleich warnt er in gefährlichen Situationen vor Übermut und erst recht vor Selbstjustiz durch selbsternannte Freiwilligenverbände. „Diese Leute sind nicht entsprechend ausgebildet und ausgerüstet, daher gefährden sie andere und sich selbst.“ Sein dringender Appell: „Im Notfall immer den Polizeiruf 110 alarmieren.“

Die Etikettierung als Bürgerwehr lehnt der „Wir für Essen“-Sprecher ab, der Begriff sei falsch gewählt gewesen. „Wir wollen nicht Angst und Schrecken verbreiten, sondern nur für Sicherheit sorgen.“

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Was das Unbehagen gegen Bürgerwehren befördert, sind ihre auffälligen Verbindungen zum Rechtsextremismus, zu Neonazis und zur Hooligan-Szene. Die in Essen gegründete Initiative hat sich aber demonstrativ von „Fremdenfeindlichkeit und jeglichem Extremismus“ distanziert. Sie verteidigt auch das Asylrecht für politisch Verfolgte und Menschen aus Kriegsgebieten. „Wir sind kein Haufen von Schlägern oder Neonazis, sondern lediglich besorgte Bürger“, sagen sie.

200 Mitglieder zählende Facebook-Gruppe

Unperfekthaus-Inhaber Reinhard Wiesemann, inspiriert von US-amerikanischen „Nachbarschafts-Beobachtern“ und „Schutzengel“-Initiativen, hatte der frisch gegründeten „Bürger(Wehr) Essen“ vor einer Woche in seinen Räumlichkeiten noch ein Forum geben wollen. Allerdings entfachte er mit dieser unerwarteten Form der Solidarisierung einen Sturm der Entrüstung nicht nur in der linken, grün-alternativen Szene. Das Treffen fiel aus, das Unperfekthaus musste sogar einen Tag schließen.

Max Adelmann, Sprecher von „Essen stellt sich quer“, weist darauf hin, dass einer der maßgeblichen Köpfe der Essener Bürgerwehr einst der berüchtigten Dortmunder Skinhead-Rockband „Oidoxie“ („Ruhm und Ehre der deutschen Wehrmacht“) angehört habe.

Details über das Innenleben oder gar die tatsächliche politische Ausrichtung von „Wir für Essen“ zu erfahren, gestaltet sich schwierig. Es handelt sich um eine geschlossene, über 200 Mitglieder zählende Facebook-Gruppe. Ein Insider berichtet lediglich von „Verwerfungen und Austritten“ und sagt: „Da ist im Moment viel in Bewegung.“