Essen. . Der Streifenwagen, der in Essen-Steele eine Wittenerin (23) erfasst hat, war ohne Martinshorn unterwegs. Unfassbar: Ein Evag-Video vom Unfall wurde gelöscht.
Fünf Tage nach dem tragischen Unfalltod einer jungen Frau aus Witten gibt die Essener Staatsanwaltschaft noch keine abschließende Bewertung ab, aber erste Erkenntnisse preis: Der Streifenwagen, der die 23-Jährige am Neujahrsmorgen vor dem S-Bahnhof in Steele erfasst und lebensgefährlich verletzt hatte, war auf seiner Einsatzfahrt mit Blaulicht unterwegs. Das Martinshorn jedoch hatten die Polizisten nicht benutzt. Die genaue Rekonstruktion des Hergangs allerdings gestaltet sich schwieriger als zunächst gedacht. Ein Video des Unfalls existiert nicht – obwohl das Umfeld des Bahnhofs von vielen Kameras der Evag überwacht wird. Doch die Aufzeichnungen seien überschrieben worden, bevor die Polizei sie sichern konnte, beklagt am Dienstag Staatsanwältin Elke Hinterberg: „Das ist sehr bedauerlich.“
Videoaufnahmen wurden nach 72 Stunden automatisch gelöscht
Und unfassbar zugleich: Denn wie Evag-Sprecher Olaf Frei auf Nachfrage einräumt, war der einzige zur Speicherung der Bilder berechtigte Mitarbeiter im Urlaub. Die Aufnahmen wurden deshalb wie alle anderen auch nach 72 Stunden automatisch gelöscht. „Wir wollen das verbessern“, sagt Frei: „Wir brauchen einen Stellvertreter.“
Das nützt den Ermittlern im aktuellen Fall nichts mehr. Klar ist deshalb bislang nur: „Die Beamten sind mit Sonderrechten gefahren. Da müssen sich eigentlich alle anderen Verkehrsteilnehmer unterordnen“, sagt Staatsanwältin Elke Hinterberg, die die Ermittlungen wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung gegen den 28 Jahre alten Fahrer des Unglücks-Passats leitet.
„Auf einer Einsatzfahrt sind Blaulicht und Martinshorn einzuschalten“
Generell aber gilt: „Auf einer Einsatzfahrt sind Blaulicht und Martinshorn einzuschalten“, sagt Marcel Fiebig, Pressesprecher der Düsseldorf Polizei, die aus Neutralitätsgründen in dem Fall ermittelt. Doch gebe es auch gewisse taktische Einschränkungen für die Sirene: Es wäre eher kontraproduktiv, so Fiebig, auf der Anfahrt beispielsweise zu einem Einbruch die Täter frühzeitig zu warnen.
Streifenwagen erfasst junge Frau
Am Neujahrsmorgen waren die Beamten allerdings in Richtung Innenstadt angeblich zu einer Schlägerei unterwegs und noch kilometerweit von ihrem Einsatzort entfernt. Warum sie die zusätzliche akustische Warnung nicht benutzten, sollen weitere Ermittlungen zeigen. Die beiden Insassen des Streifenwagens müssen noch vernommen werden, sagte Hinterberg, die am Ende die entscheidende Frage zu klären haben wird, ob der Tod der jungen Frau, die ihren schweren Verletzungen im Krankenhaus erlag, „voraussehbar oder vermeidbar“ gewesen wäre.
Zeugen berichten: Streifenwagen war „gut erkennbar“
Für Zeugen, die den Unfall beobachtet hatten, sei der heranrauschende Streifenwagen nach eigener Aussage „gut erkennbar“ gewesen, so Hinterberg. Einer von ihnen meinte, sich erinnern zu können, dass die Ampel an der Fußgängerfurt vor dem S-Bahnhof „Grün“ für den Streifenwagen gezeigt habe.
Wie schnell das Einsatzfahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision war, soll ein Verkehrsgutachter klären. Der Aufprall muss jedenfalls heftig gewesen sein. Der sichergestellte Einsatzwagen hat sichtbare Spuren davongetragen: Der linke vordere Kotflügel ist verbeult, die Windschutzscheibe auf der Fahrerseite geborsten. Die junge Frau hat schwerste Verletzungen am Kopf und an den inneren Organen erlitten, die letztlich am 2. Januar zum Tod führten. Dies hat die gestrige Obduktion der Leiche der 23-Jährigen ergeben, berichtete Elke Hinterberg. Ob die Wittenerin Alkohol getrunken hatte, werde noch untersucht.
Die Polizei, die sich nach dem tragischen Unfall „zutiefst betroffen“ zeigte, sucht dringend weitere Zeugen: Diese können sich unter der Nummer 0201/829-0 melden.
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