Essen. . Bis 2022 muss die Essener Verkehrsgesellschaft möglichst überall Barrierefreiheit gewährleisten. Doch das Hauptproblem bleibt die Südstrecke.

Über so manche Stufe wird die Essener Verkehrsgesellschaft Evag noch böse stolpern. Bis zum 1. Januar 2022 muss das Unternehmen für seine Fahrgäste die vollständige Barrierefreiheit sicherstellen. Das ist Gesetz. Genauer: Das schreibt der Paragraf 8 des Personenbeförderungsgesetzes vor. Sechs Jahre sind dafür also noch Zeit. Aber schon jetzt ist klar: Das schafft die Evag schon aus Kostengründen nicht, weil dafür nach ihren groben Schätzungen bis zu 250 Millionen Euro aufgewendet werden müssten. Woher aber nehmen?

Das Gutachterbüro Nahverkehrs-Consult empfiehlt daher, jetzt Prioritäten zu setzen. Und zwar dort, wo viele Kunden ein- und aussteigen. Aber genau in diesem entscheidenden Punkt fangen die Probleme schon an.

Denn: Die Sachverständigen sehen wegen der zentralen Lage und des hohen Fahrgastaufkommens ausgerechnet die Südstrecke als „Schlüsselstelle“. Wird es dort keine Lösung geben, wird Essen laut der Gutachter sein Ziel, einen barrierefreien ÖPNV in der Stadt zu schaffen, nicht erreichen. Aber bis heute verzweifeln die Politiker an der Herausforderung, die wichtige Linie 107/108 nach Bredeney auch für Gehbehinderte und Rollstuhlfahrer leicht zugänglich zu machen.

Keine Niederflurbahnenan der Strecke der U11

Der Knackpunkt ist, dass die Evag auf dieser Strecke keine Niederflurbahnen einsetzen kann, weil die Bahnsteige an den drei gemeinsam mit der U 11 genutzten U-Bahn-Stationen Philharmonie, Rüttenscheider Stern und Martinstraße dafür zu hoch sind. Deshalb fahren dort hochflurige Züge, die dann aber an oberirdischen Haltepunkten Klappstufen ausfahren müssen. (Die Evag verfügt über 25 dieser sogenannten „M-Wagen“).

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Alle denkbaren Alternativen wurden bereits diskutiert und die meisten auch gleich wieder verworfen. Eine Tunnelverlängerung bis Bredeney kommt wegen der immensen Kosten nicht in Frage. Möglich wäre eine Aufschüttung des Gleiskörpers in den drei U-Bahnhöfen, damit dort auch Niederflurbahnen halten können. Dann müsste aber die U 11 zur Straßenbahn werden, mit der Folge, dass wegen der geringeren Platzkapazität in den kleineren Straßenbahnen der Messeverkehr während der Stoßzeiten ins Stocken geraten würde.

Die bisher noch wahrscheinlichste Variante ist, einen Teil der Bahnsteige abzusenken, damit in den drei Bahnhöfen sowohl U-Bahnen als auch Niederflurbahnen stoppen können. Der Nachteil an dieser Variante aber ist: Die U 11 kann während der Messezeiten nicht mehr mit überlangen Zügen (Dreier-Trakt) fahren, weil sie dafür mehr als 60 Meter Bahnsteig benötigt.

Erhöhte Bordsteinkanten an den Busbuchten werden angeraten

Ungelöst bleibt auch die Busspurstrecke (Linien 146/147) vom Wasserturm nach Kray. Vier Haltestellen sind dort nur über normale Treppen zu erreichen. Für Aufzüge und Rolltreppen würde es arg eng werden.

Leichter machen es die Gutachten der Politik mit dem sonstigen Umbau im Busverkehr. Sie empfehlen generell die Einrichtung von sogenannten „Buskaps“ mit erhöhter Bordsteinkante. Diese Busbuchten (zu sehen unter anderem am Steeler Busbahnhof) sind bei neuen Projekten künftig als „Regelanwendung“ zu bevorzugen, raten sie. Bisher sind nur 13 Prozent der 627 Bushaltestellen im Stadtgebiet barrierefrei gestaltet. Für den Fall des Falles verfügen alle Evag-Busse über eine ausklappbare Rampe, deren Bedienung allerdings Geduld seitens der Passagiere erfordert.

Der Umbau der rund 100 Straßenbahn-Haltestellen erfolgt sukzessive. 20 Prozent sind geschafft. Nächstes Projekt ist der Halt Kronprinzenstraße.