Essen. An De Ridder singt ihre erste Partie als Aalto-Ensemblemitglied in der Märchenoper „Die Liebe zu den drei Orangen“. Und muss gleich richtig böse sein.
Es gibt Dinge, die muss man auch als gestandene Opernsängerin erst einmal lernen: Auf der Bühne mal richtig fies zu sein, beispielsweise. Die belgische Sopranistin An De Ridder lacht fröhlich: „So eine böse Figur verkörpert man als Sopran ja selten.“ Aber in Laurent Pellys Inszenierung der Prokofjew-Oper „Die Liebe zu den drei Orangen“ singt sie eben die Partie der intriganten Prinzessin Clarisse, die dem depressiven Prinzen den Thron streitig machen will. Am Ende bekommt in dieser opulent bebilderten, ebenso raffiniert wie absurden Märchenoper, die am Samstag Premiere hat, der Prinz natürlich den Thron und seine Prinzessin Ninetta. Und die zickige Clarisse hat das Nachsehen wie die böse Fata Morgana und ihre Sklavin Smeraldina.
Riesen und bizarre Maskeraden, verzaubertes Obst und grundlegende Fragen des Künstlertums werden in diesem Opernwerk verhandelt, das Pelly schon 2005 als phantastisches Bühnenspiel mit riesigen Karten an der Nederlandse Opera Amsterdam herausgebracht hat. In Essen ist die Produktion nun in einer Neuinszenierung zu erleben.
"Wir leiden doch noch immer an der Liebe"
Für An De Ridder ist es nicht nur die erste Inszenierung am neuen Haus, sondern das erste Festengagement überhaupt. Und die Sängerin, die am Operastudio Nederland und an der Wales International Academy of Voice studiert hat und zuletzt als Mimì („La Bohème“) in Gent und als Ortlinde („Die Walküre“) am Aalto zu erleben war, fühlt sich in Essen bereits zu Hause. Im wahren Leben ist die 36-Jährige nämlich alles andere als eine etepetete Prinzessin auf der Orange, sondern eine Künstlerin, die mit Yoga-Matte unterm Arm zum Gespräch erscheint. An De Ridder mag die Bewegung und die Beweglichkeit, künstlerisch und privat sowieso. Neben der Clarisse wird sie in der laufenden Spielzeit noch die Partien der Musette („La Bohème“) und Berta („Il barbiere di Siviglia“) übernehmen. Das Märchen vom Mädchen, das mit 16 Jahren die erste „Tosca“ erlebte und sich sofort in die Oper verliebte, ist wahr geworden. Auch wenn An De Ridder schnell erfahren hat, dass das Reich der klassischen Klänge keine reine Zauberwelt ist, wenn man erst einmal hinter die Kulissen geblickt hat, sondern ein hochkonzentriertes Präzisionswerk und wochenlange Probenarbeit. Und genau darauf hat sich An De Ridder in Essen besonders gefreut: „Ich liebe es, Zeit zu haben, um tief in eine Rolle einzutauchen“.
Den Einwand, dass die Oper Geschichten von gestern erzählt, lässt die 36-Jährige dabei nur bedingt gelten. „Wir leiden doch noch immer an der Liebe“, findet An De Ridder und lächelt: „Alles ändert sich auf der Welt, aber die Gefühle sind immer noch die Alten.“