Essen.. Ballettchef Ben Van Cauwenbergh verpackt Liebesgeschichte im „Nussknacker“. Aalto-Theater zeigt den Weihnachtsklassiker in opulenter Ausstattung.

Die Zeiten sind kalt und düster, aber nicht hoffnungslos. Da steigt Ballettintendant Ben Van Cauwenbergh in den Keller und holt die Choreografie eines Klassikers hervor, die bereits während seiner Verpflichtung in Wiesbaden ein Erfolg war: Tschaikowskis „Der Nussknacker“ von 1892 kommt entstaubt, auf Hochglanz poliert und auf Spitze formvollendet ins Aalto-Theater - mit 40 Tänzern, 120 Kostümen, 45 Kopfbedeckungen und einem Bühnenbild, das alles überstrahlt. Bei so viel Opulenz kann einem warm werden ums Herz. „Es war teuer. Aber entweder macht man es richtig oder gar nicht“, sagt Ben Van Cauwenbergh, der einen Förderer von der aufwendigen Ballettproduktion überzeugen konnte.

Stimmigkeit, Präzision und Staunfaktor haben ihren Preis. Nicht nur in Euro und Cent. Sie kosten Arbeit, Ausdauer und Energie. Das zeigt eine Probe des Balletts: Ben Van Cauwenbergh unterbricht den Ablauf. Dirigent Yannis Pouspourikas lässt die Essener Philharmoniker ein paar Takte früher einsetzen. Geduldig wiederholen Ratten und Zinnsoldaten ihren Kampf, vereint sich Breno Bittencourt als Titelheld und Prinz mehrmals mit der Louise von Yanelis Rodriguez im Pas de deux, hebt die Schneekönigin Mariya Tyurina erneut zum Solo an.

Das wirkt schon ansatzweise großartig. Obwohl der Ballettchef Verbesserungswünsche äußert, weiß er, mit welchem Pfund er da wuchern kann. Er hat den „Nussknacker“ einst selbst in London bis zum Gehtnichtmehr getanzt, ihn in den 1990er Jahren am Hessischen Staatstheater auf die Bühne gebracht und nun Lust, nochmals Hand anzulegen. „Er gehört in das Repertoire eines so großen Hauses“, meint der 57-Jährige, der das zeitgenössische wie das klassische Ballett pflegen will.

Hinter den Kulissen stehen Bühnenbild, Kleider und Masken schon für die Premiere bereit und damit eine visuelle Flut. Ben Van Cauwenbergh ist begeistert von der Arbeit der Werkstätten im Aalto-Theater: „Ich bin sehr stolz auf Kostüm und Maske. Damit liegt die Latte schon sehr hoch. Jetzt muss ich mich anstrengen“, sagt er mit zerzaustem Haupthaar. Vielleicht auch, weil Dortmund ebenfalls mit einem „Nussknacker“ aufwartet.

Traumhafte Tutus und scharfe Rattenmasken

Selten gab es beim Ballett so viel Kopfputz wie im „Nussknacker“. Chefmaskenbildner Frank Landau zeigt handgemachte
Selten gab es beim Ballett so viel Kopfputz wie im „Nussknacker“. Chefmaskenbildner Frank Landau zeigt handgemachte © FUNKE Foto Services | FUNKE Foto Services

Mit Superlativen ist Regina Weilhart, stellvertretende Kostümdirektorin am Aalto-Theater, vorsichtig. „,Der Nussknacker’ ist schon etwas Besonderes. Fast alle Kostüme sind handgemacht. Da kommt das ganze Know-how der Werkstätten zum Tragen“, sagt sie und etwas Stolz schwingt mit.

Angesichts von Sparzwängen ist der Anblick der 120 seit Februar realisierten Kostüme in Qualität, Liebe zum Detail, Farbpracht und Verschiedenartigkeit eine Augenweide. An langen Kleiderstangen drängen sich die in abgestuften Grautönen eingefärbten Gehröcke der Familie Stahlbaum und die gefährlich funkelnden Anzüge der Familie Rattenstein, die sich am Weihnachtsabend zwecks Verkuppelung der Kinder treffen.

Die Damen tragen glänzende 30er-Jahre-Abendkleider, alle unterschiedlich geschneidert und mit passenden Capes. Die Tutus der Schneeflocken haben eine sternenförmige Stickerei. Und viele Strasssteine wurden verwendet. Auf der Korsage der liebenden Louise zum Beispiel. „Sie sind mit Tüll überzogen, damit sich die Tänzer nicht verletzen“, so Regina Weilhart, die sogar daran denken muss, das Kostüm von Patenonkel Drosselmeier feuerfest zu imprägnieren - für jede Vorstellung. Denn als Zauberer schlägt er so manchen Funken.

Für ihn wurde in der Abteilung Maske eine Kappe mit züngelnden Flammen gefertigt. Es ist nur eine von 45 Kopfbedeckungen. Die Schneeflocken tragen selbst hergestellte Diademe. Reihenweise Rattenmasken mit Rastazöpfen liegen im Regal, dazu die aufklappbare Maske des Nussknackers und Perücken aus riesigen Wattebällchen. Der Effekt ist hinreißend und günstig war es zudem. „Sie sind“, erklärt die stellvertretende Chefmaskenbildnerin Doris Kallmeyer-Rauh, „aus dem Filtermaterial für Aquarien gemacht.“