Essen. Die Arbeitsverdichtung bei der Essener Polizei hat Folgen: Bis die Beamten vor Ort eintreffen, vergeht inzwischen merklich mehr Zeit als früher.
Deutlich mehr Einsätze, aber nicht mehr Personal – die zunehmend lauter beklagte Arbeitsverdichtung bei der Essener Polizei kommt langsam aber sicher beim Bürger an: Bis die Beamten nach Notrufen oder Alarmierungen am Ort des Geschehens eintreffen, vergeht inzwischen merklich mehr Zeit als früher, als die Behörde noch zu den flottesten des Landes gehörte.
Durchschnittlich ist die Essener Polizei binnen eines Jahres um eine Minute langsamer geworden und liegt damit beim Vergleich der so genannten Einsatzreaktionszeiten aller NRW-Behörden eine bis eineinhalb Minuten unter dem Landesdurchschnitt. Nur bei Verkehrsunfällen mit Personenschaden sind die Essener exakt eine Minute schneller.
Ruf nach Entlastung und Verstärkung
Deutlicher wird die Entwicklung im Fünf-Jahres-Vergleich: Erreichte eine Essener Streifenwagenbesatzung im Jahr 2010 nach einem 110-Notruf noch nach durchschnittlich 14 Minuten und 43 Sekunden ihr Ziel, vergehen inzwischen fast zweieinhalb Minuten mehr. Lautet die Lage „Täter am Ort“ braucht es rund sechs Minuten, bis Hilfe naht. Vor einem Jahr trafen die Beamten noch eine Minute früher ein.
Dies geht aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage des Essener FDP-Landtagsabgeordneten Ralf Witzel hervor: „Die Entwicklung der letzten fünf Jahre ist erkennbar negativ. Die Gründe dafür müssen wir analysieren und den Trend schnellstens umkehren.“ Schnelle Präsenz am Einsatzort sei fundamental wichtig, so Witzel: „Jede Minute kann bei Gewaltdelikten lebensrettend sein.“ Den Beamten will Witzel nicht die Verantwortung für die Negativ-Entwicklung in die Schuhe schieben: „Schuld sind die steigende Kriminalität und die Aufgabenfülle.“ Bis zum Ende des Jahres werden die über 1700 Essener Ordnungshüter rund 10.000 Einsätze mehr gefahren haben als vor zwei Jahren. Die Polizei brauche dringend Verstärkung und Entlastung.
Zunahme der Einsätze bei gleicher Personalausstattung
Dem will Polizeisprecher Ulrich Faßbender nicht widersprechen. Doch der Vergleich der Essener Präsenzzeiten mit dem Landesdurchschnitt allein nach dem Stoppuhr-Prinzip sei nur bedingt aussagekräftig. Die Einsatzbelastung in den Großstädten sei mittlerweile durch wiederkehrende Kundgebungen und den Zustrom der Flüchtlinge weitaus größer geworden als in den Landkreisen. Die daraus resultierende Mehrarbeit, die Kräfte bindet, habe die alte Regel außer Kraft gesetzt, wonach die Polizei in den Metropolen gewöhnlich schneller am Einsatzort sein konnte als in den dünner besiedelten Regionen, weil sie einfach kürzere Wege zurückzulegen hatte.
Bei der Zunahme der Einsätze bei gleicher Personalausstattung müssten die wichtigsten inzwischen mit höherer Priorität gefahren werden. Dadurch könne es etwa bei Verkehrsbehinderungen, für die nicht allerhöchste Eile geboten ist, länger dauern. Lasse man den Landesdurchschnitt außen vor und vergleiche die lokalen Zahlen mit denen der Großstadt-Behörden in Duisburg, Dortmund, Düsseldorf und Köln, dann stehe Essen nach Notrufen oder Unfällen mit Verletzten immer noch auf Platz eins und zwei der Reaktions-Rangliste.