Essen. André Schäfer, der Regie führte bei „Herr von Bohlen“, im Interview. Seine Projekt über Arndt von Bohlen und Halbach wurde in Essen uraufgeführt.

In gerader Linie war Arndt von Bohlen und Halbach der letzte Spross der Krupp-Dynastie. Und er war vieles gleichzeitig: hochverschuldeter Millionenerbe, schwuler Lebemann, der mit ausschweifendem Lebensstil und bizarren Auftritten zeitweilig Liebling der Klatschpresse war, aber auch Enfant terrible mit Hang zur Selbstzerstörung. Regisseur André Schäfer hat sich der exzentrischen wie tragischen Figur in dem Film „Herr von Bohlen“ genähert. Vor der gestrigen Premiere im Astra-Kino sprach Schäfer mit Martina Schürmann über die Beweggründe für sein Filmprojekt, dessen Kinostart am 19. November ist.

Arndt von Bohlen und Halbach war eine schillernde Figur der deutschen Nachkriegsgeschichte. Was interessiert Sie heute am „letzten Krupp“?

André Schäfer: Ich finde den Mann so großartig, weil ich durch ihn viel über die BRD in den 60er und 70er Jahren erzählen kann. Die Generation meiner Eltern hat einen „Taugenichts“ wie ihn damals ja komplett abgelehnt, weil er so extrem über die Stränge geschlagen hat. Ich wollte verstehen, warum er so gewesen ist.

Sie haben Antworten gesucht, indem Sie ihn quasi „persönlich“ sprechen lassen. Der Film mischt Doku-Material mit Spielfilmszenen. Wie kam die Textfassung zustande?

Schäfer: Ich hab alles Material, das es über ihn gab, gesichtet und gelesen und dann verarbeitet. In einem Zeitungs-Interview mit seiner Ehefrau Hetti von Auersperg war beispielsweise zu lesen, dass Arndt Hettis Freundinnen Schminkunterricht gegeben habe. Solche Sätze habe ich dem Schauspieler Arnd Klawitter, der die Figur sofort verstanden hat, dann als direkte Rede in den Mund gelegt. Die Idee des Filmes ist ja, dass ein Reporter Arndt von Bohlen und Halbach Ende der 1970er Jahre an die Stätten seines Lebens begleitet, nach Essen natürlich, Sylt, Marrakesch und ins Schloss Blühnbach, der einzige Originalschauplatz, an dem wir drehen konnten.

Die Krupp-Stiftung hat eine Dreh-Genehmigung versagt. Warum?

Schäfer: Anfangs war der Plan tatsächlich, tief in die Geschichte eintauchen und auch im Krupp-Archiv zu recherchieren. Zunächst schien man bei der Krupp-Stiftung ganz angetan, weil wir den anderen Arndt zeigen wollen. Aber die Auffassungen gingen dann doch ziemlich schnell auseinander. Am Ende konnten wir nicht einmal auf dem Krupp-Friedhof in Bredeney drehen.

Durch den Focus auf die 70er Jahre bleiben Teile dieses extremen Lebens unerwähnt. Die Kindheit ohne Vater im Internat, die selbstzerstörerischen Schönheits-OPs, der frühe Tod mit 48 Jahren. Eine komplette Biografie war nicht angedacht?

Schäfer: Ich hätte die Kindheitsgeschichte gerne erzählt. Schon der junge Arndt ist ja extrem spannend, der als Zwölfjähriger im Pelzmantel zum Sportunterricht erschien. Ich hatte auch schon das Bild eines Internats vor Augen, wo Alfried Krupp seinen Sohn nach seiner Haftentlassung 1951 mit einem roten Porsche besucht. Aber dann hätte wir einen ganz anderen Film drehen müssen, der war so nicht umzusetzen.

War es schwierig, Interviewpartner für den Film zu gewinnen?

Schäfer: Es war nicht leicht, weil wir ja Menschen gesucht haben, die Arndts Sicht der Dinge erzählen wollten. Seine Witwe Hetti von Auersperg hat erst zu- und später abgesagt. Viele, die zum engeren Kreis gehörten, wollten nicht vor die Kamera. Durch Zufall stießen wir schließlich auf seinen Nachlassverwalter Holger Lippert, was ein Glücksfall war. Als ich um ein Interview gebeten habe, hat er ein Stoßgebet geschickt: „Arndt, wir werden rehabilitiert!“

Die Theorie, dass Arndt von Bohlen und Halbach 1967 nicht ganz freiwillig auf sein Milliardenerbe verzichtet hat, sondern quasi um sein Erbe gebracht wurde, spielt ja schon in der Biografie von Hanns-Bruno Kammertöns eine Rolle. Auch in Ihrem Film wird die These gespielt. Wie kommen Sie zu der Erkenntnis?

Schäfer: Das ist nicht meine Erkenntnis, das ist die Ansicht von Lippert. Er ist sozusagen mein Kronzeuge, da ich Arndt ja nicht persönlich kannte. Ich glaube zwar, dass er unglücklich war. Aber ich weiß nicht, ob es an dem Verzicht auf das Erbe lag oder daran, dass er die Firma nicht repräsentieren konnte.

Wenn Arndt von Bohlen noch einmal lebendig würde und Sie hätten nur eine Frage, welche wäre das?

Schäfer: Ich würde ihn fragen, ob er einsam gewesen ist. Jemand, der keine ernst zu nehmende Beziehung führen konnte und 200 Mal im Jahr seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, der kann nicht glücklich gewesen sein.