Essen-Frohnhausen. Sein Laden heißt „Herren-Friseur“. Seit 38 Jahren schert sich Ludger Rademacher um die Frisuren der Frohnhauser. Nächstes Jahr soll Schluss sein.

Der Friseur ist mehr als jeder andere Unternehmer geneigt, sich mit namensgebenden Wortspielen für sein Geschäft von der Konkurrenz abzuheben. „Verdamp lang Hair“, „Haar-em“, „Pony und Clyde“ oder „Matte Lackiato“ ist nur eine kleine Auswahl mehr oder weniger kreativer Ideen. Ludger Rademacher, 70, aus Frohnhausen hat sein Geschäft „Herren-Friseur“ genannt. „Ich bin Friseur. Ich arbeite mit Kamm und Schere. Ich schneide Haare. Punkt.“ Seit 38 Jahren an der Mülheimer Straße.

11 Uhr, gerade kein Kunde da, Ludger Rademacher gönnt sich eine Pause. Und Frühstück. Kaffee, Fünf-Minuten-Ei, ein Brot mit Wurst-Scheiben garniert. Vor ihm liegt das aktuelle Heft der Friseur-Innung. Mit einem Herren-Model, das zum gegelten Haupthaar üppigen Vollbart trägt. Ludger Rademacher schüttelt den Kopf: „Was soll das? Bei mir ist der Schnitt die Frisur.“

"Die ganzen Mittel kommen mir hier nicht rein"

Seit 38 Jahren schneidet „Radi“, wie er genannt wir, den Frohnhausern die Haare. Erst als Angestellter. 1987 machte er sich selbstständig. Seinen ehemaligen Arbeitgeber gibt es nicht mehr. „Meine Kunden sind mitgekommen. Sie schätzen meine Arbeit.“ Sie sind mit ihrem „Radi“ älter geworden.

© Essen

Im Friseurgeschäft an der Mülheimer Straße ist die Zeit in all den Jahren stehen geblieben. „Herren 8,50 Euro“, steht auf der Preistafel. Und: „Facon (modisch) 10,50 bis 12 Euro.“ Im Regal warten keine bunten Shampooflaschen mit Pflanzenextrakten. Sondern vier Flaschen Tabak Original. Die herb-würzige Duftkomposition. „Die ganzen Mittel und das andere Zeug kommen mir hier nicht rein“, sagt Ludger Rademacher. Und hält Schere und Kamm beschwörend in die Luft.

Besuch von der Landesmutter

Eine älterer Kunde kommt rein, setzt sich. Der Chef legt los, bringt das graue Haupthaar akkurat in Form. Neben dem Schnitt gibt es Neues aus Frohnhausen. Die musikalische Untermalung übernimmt nicht Dudelfunk aus dem Radio, sondern ein Kanarienvogel-Paar.

Danach hat Ludger Rademacher wieder Pause. Er erinnert sich an spannendere Zeiten für Friseure. Früher war mehr Haar. „Bei Studenten durfte ich nichts abschneiden. Und Minipli mit Rudi-Völler-Locken war auch was“, schwärmt er. Immerhin: Neulich, im Wahlkampf, war Hannelore Kraft da. „Hannelore, eine ganz Sympathische“, sagt er. „Radi“ hat in Mülheim gewohnt, kennt von dort die Landesmutter.

Viele Bekannte gehen derweil, winkend und grüßend, an seiner Tür vorbei. Dann nimmt der nächste Kunde auf dem Frisierstuhl Platz, der so alt wie der Salon ist. Ludger Rademacher schiebt sich heran, stöhnt ein wenig. Die Hüfte. Das ständige Stehen im Alltag hat Spuren hinterlassen. Nächstes Jahr will Ludger Rademacher das machen, was die meisten seiner Stammkunden längst gemacht haben: In den wohlverdienten Ruhestand gehen.