Essen. Ein 49-Jähriger hat auf offener Straße einen 13-Jährigen begrapscht und dessen T-Shirt hochgezogen. Dafür bekam der Essener eine Bewährungsstrafe.

Er kannte den Jungen nicht, sprach ihn in Essen-Frohnhausen an. Dann schob er dem 13-Jährigen das T-Shirt hoch und streichelte den Bauch des Jungen. Dafür verurteilte die V. Kammer den Angeklagten, einen 49-Jährigen aus Frohnhausen, am Mittwoch zu vier Monaten Haft mit Bewährung.

Die niedrige Sanktion bekam er, weil Gutachter Dieter Oswald, ein erfahrener Gerichtspsychiater, ihn als „nicht gefährlich” einstufte. Außerdem hatte der 49-Jährige über Verteidigerin Silvia Oster die Tat gestanden und so dem 13-Jährigen die Aussage vor Gericht erspart.

Fall ursprünglich höher angesiedelt

Ursprünglich hatte Staatsanwältin Maria Linten den Fall weit höher angesiedelt. Sie klagte ihn nicht am Amts-, sondern am Landgericht an und dachte an die Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie. Das lag am Fall: Denn wer steht so unter Druck, dass er ein fremdes Kind auf offener Straße am Kinn festhält, um dessen nackten Bauch zu streicheln? Ein weiterer Grund war der Angeklagte: Aufgewachsen im Franz-Sales-Haus, geprägt von einer intellektuellen Minderbegabung. Früher hatte es schon ein Sexualverfahren gegen ihn gegeben, aber das liegt drei Jahrzehnte zurück.

Und hellhörig reagierten die Juristen auch, weil der Angeklagte nach der Tat vom 26. Mai 2014 bei der Polizei davon sprach, dass er sich nach Jungen sehne. Eine tickende Zeitbombe?

Gutachter: Wenig Gewalt

Gutachter Oswald verneint. Verteidigerin Oster hatte zwar untersagt, dass er den Angeklagten untersucht – aus den Akten des mehrfach vorbestraften Mannes (Diebstahl und Schwarzfahren) erlaubte er sich aber eine Prognose: Neue Straftaten gegen Kinder erwarte er nicht. Schließlich habe der Angeklagte wenig Gewalt angewendet und den Jungen laufen lassen. Das Gericht folgte der Einschätzung. Richter Sebastian Ernst betonte, dass der unter Betreuung stehende Angeklagte seit einem Jahr zur Sexualtherapie gehe. Die Fortsetzung dieser Therapie machte die Kammer ihm auch zur Auflage.

Den Reformen im Sexualstrafrecht ist es geschuldet, dass Teile des Prozesses hinter verschlossenen Türen stattfanden. Denn mittlerweile nutzen auch Angeklagte die Möglichkeit, die Öffentlichkeit bei Details ihres Privat- oder Sexuallebens auszuschließen. Staatsanwältin und Gericht stimmten den Anträgen der Verteidigerin zu. Lediglich Opfer-Anwalt Bernd Kachur enthielt sich der Stimme.