Essen. Ulrich Meier prägte 27 Jahre als Hauptgeschäftsführer die Kreishandwerkerschaft. Er erzählt, was ihn bewegte und was er besser gelassen hätte.
Es wird nach so vielen Dienstjahren am Donnerstag kein leichter Abschied für Ulrich Meier werden. Seit 1979 arbeitete der gebürtige Essener für die Kreishandwerkerschaft, seit 1988 war er deren Hauptgeschäftsführer. Wenn jemand in der Stadt dem Handwerk ein Gesicht gab, dann war er das. Nun muss sich der 65-Jährige an neue „Unruhezeiten“ gewöhnen.
Herr Meier, sind Sie eigentlich ein Hobbyhandwerker?
Ulrich Meier: Nein, überhaupt nicht. Ich habe zwei linke Hände. Aber als Hauptgeschäftsführer bei der Kreishandwerkerschaft ist das vielleicht sogar von Vorteil. Da neigt man gar nicht erst dazu, Handwerksmeistern zu erklären, wie Dinge funktionieren.
Wie sind Sie denn dann ausgerechnet zur Kreishandwerkerschaft gekommen?
Meier: Während meines BWL-Studiums habe ich bei der Industrie- und Handelskammer in Köln gearbeitet. Zur Zeit meines Abschlusses, 1979, suchte die Kreishandwerkerschaft einen Innungs-Geschäftsführer. Mein Onkel Theo van Eyll, der damals Leiter des Ordnungsamtes in Essen war, hatte gute Kontakte zur Kreishandwerkerschaft. Er hat mir den Tipp gegeben. Und so habe ich mich dort beworben.
Da war also „Vitamin B“ im Spiel?
Meier: Ich glaube schon. Aber es war ja nicht zum Schaden für beide Seiten.
Wären Sie rückblickend gern etwas anderes geworden?
Meier: Nach meinem Abitur am Goethe Gymnasium in Bredeney wurde ich in einem Zeitungs-Interview mal nach meinem Berufswunsch gefragt. Da steht nachweislich: Bankkaufmann. Doch nach einem Ferienjob bei der Sparkasse, übrigens in der Zweigstelle am Gervinusplatz in Frohnhausen, rückte der Wunsch während des Studiums allerdings in den Hintergrund.
Sie standen 27 Jahre lang als Hauptgeschäftsführer an der Spitze der Kreishandwerkerschaft. Wie hat sich das Handwerk verändert?
Meier: Noch in den 70er und 80er Jahren hielten die Senioren sehr lange an ihren Betrieben fest und die Junioren kamen erst spät dazu, „die Post aufzumachen“. Das hat Entwicklungen in Betrieben nicht gerade gefördert. Heute ist das anders. Wenn die Jungen kommen, dann arbeiten sie sofort mit neuen Technologien und haben einen ganz anderen Zugang zum Kunden.
Dennoch kann sicher jeder eine Geschichte erzählen, weil er mit einem Handwerker unzufrieden war. Muss Handwerk noch mehr Dienstleister werden?
Meier: Die Antwort ist einfach: Wer seine Dienstleistung nicht mit Qualität und zur Zufriedenheit an den Mann oder die Frau bringt, wird künftig keine Aufträge bekommen.
Im Moment hat man aber eher den Eindruck, Handwerker können sich ihre Aufträge aussuchen. Gerade im Baubereich.
Meier: Ich habe meinen Handwerkern immer gepredigt, Kunden reinen Wein einzuschenken. Es ist besser, einen Auftrag nicht anzunehmen, als anschließend die Kunden immer wieder zu vertrösten. Gut ist es natürlich, wenn der Handwerker einen Innungskollegen empfehlen kann. Das hilft, um kein schlechtes Bild zu hinterlassen.
Wie haben Sie es selbst geschafft, den Veränderungsprozess im Handwerk mitzugehen und in den 36 Jahren auf Ballhöhe zu bleiben?
Meier: Da hilft die Trennung von Ehrenamt und Hauptamt. Wenn es um technische Fragen geht, dann bin ich außen vor. Das ist Sache der Vorstände in den Innungen und der jeweiligen Fachverbände.
Ihre beiden Geschäftsführerkollegen, die die Arbeit fortführen, sind auch schon weit über 50 Jahre alt. Fehlen da nicht schon mal die Ideen Jüngerer?
Meier: Das glaube ich nicht, denn das funktioniert gut über die Innungen, wo wir viele Anregungen auch von jüngeren Unternehmern bekommen. Da habe ich uns nicht als Bremser erlebt.
In ihrer Amtszeit waren Ihnen das Thema Ausbildung und die Zukunft junger Menschen besonders wichtig. Woher kommt das?
Meier: Erstens habe ich selbst drei Söhne, deren Fortkommen mir am Herzen liegt. Zweitens durfte ich gleich zu Anfang unsere überbetriebliche Ausbildung betreuen. Wir hatten in den 80er Jahren einen sehr engagierten Kreislehrlingswart, Werner Sauerbrey. Der brannte für das Thema und hat mich geprägt. Das war ein Mann, der sich gefetzt hat mit den Superintendenten der evangelischen Kirche, weil es dort damals sehr linke Ansichten gab. Auch junge Leute und Lehrer waren stark von den 68er-Strömungen erfasst, die bis in den Unterricht reichten. Damals wurde mehr von den Rechten der jungen Leute als von deren Pflichten gesprochen. Wir beide waren häufig als Botschafter unterwegs, um Lehrern klar zu machen, dass es so in unserer Gesellschaft nicht weiter gehen kann.
Die Ausbildungsfähigkeit der Schulabgänger war zuletzt Ihr großes Thema. Die Jugend von heute sei nicht doof sondern stinkefaul, haben Sie einmal gesagt. Harte Worte, finden Sie nicht?
Meier: Nein, das sind hoffnungsvolle Worte, die ich bewusst so gewählt habe.
Gab es dafür nie Kritik?
Meier: Zeitweise gab es Anfeindungen von Lehrern, die sich in ihrer Rolle angegriffen fühlten. Aus meiner Sicht muss einem Lehrer bewusst sein, dass er eine gewisse Verantwortung für die Erziehung junger Menschen hat. Aber natürlich darf das nicht so weit gehen, dass Eltern meinen, die Schule regelt alles.
Waren Sie eigentlich ein strenger Vater?
Meier: Ich bin ein Vater, der sich im Nachhinein vorwerfen muss, dass er zu wenig für seine Kinder da gewesen ist. Die Arbeit stand zu sehr im Mittelpunkt. Wenn ich noch mal auf die Welt kommen würde, müsste ich das anders organisieren.
Was ist schief gelaufen?
Meier: Ich hab mich als Dienstleister verstanden und wollte immer für die Betriebe da sein, um sie in der Kreishandwerkerschaft und ihrer Innung zufriedenzustellen. Ich bin stets erreichbar, das Handy liegt neben dem Bett. Das ist in den Jahren zur Gewohnheit geworden und ich gehe davon aus, dass es dadurch auch zu Problemen in meiner Ehe gekommen ist.
Wie leicht fällt Ihnen der Ruhestand, werden jetzt der Sportverein SGS und der Fußball die erste Geige in ihrem Leben spielen?
Meier: Als ich 2012 den Vorsitz bei der SGS übernommen habe, war das schon bewusst so entschieden. Darüber hinaus gibt es aber auch viele Dinge, die ich aus Zeitmangel viele Jahre nicht oder zu selten machen konnte und die ich jetzt nachholen möchte, wie Theater-, Konzert-, Musical- oder Kino-Besuche. Ich hoffe natürlich auch noch auf Enkel. Aber um es klar zu sagen: Der Abschied in den Ruhestand ist nicht leicht, vor allem wegen vieler Menschen, mit denen ich zusammengearbeitet habe.
Woran erinnern Sie sich besonders gern?
Meier: Beispielsweise an die Erfolge im Essener Konsens, der nach anfangs hartem Ringen viele Projekte möglich gemacht hat wie die Kreuzeskirche und das Gründerzentrum Triple Z. Oder an unser Partnerschaftsprojekt mit verschiedenen brasilianischen Organisationen.
Schmeichelt es Ihnen eigentlich, wenn Sie als „Mister Handwerk“ bezeichnet werden?
Meier: Das ist eine Rolle, die ich gar nicht so bewusst wollte. Normalerweise fällt dies dem Ehrenamt zu. Doch das ist sicher meiner langen Dienstzeit geschuldet. Ich denke, dass das eher für die Organisation spricht. Nämlich dass es dort verlässliche Ansprechpartner gibt.