Essen. Für 8,2 Millionen Euro hat ein kleines Essener Büro für Bauanalytik das Iduna-Hochhaus ersteigert. Ein ausländisches Unternehmen will es sanieren und hier seinen Sitz nehmen.

Als nach 40 Minuten die Schlacht in Gerichtssaal 293 geschlagen ist, ziehen die Kämpfer von dannen: merklich enttäuscht die einen, weil sie leer ausgehen; triumphierend die anderen, weil sie den Zuschlag erhalten haben. Und alle miteinander regelrecht perplex, als wie standhaft sich doch ein 15-stöckiges, mit Asbest und anderen Schadstoffen verseuchtes Hochhaus erweisen kann. Eine Immobilie, bei der viele Beobachter von vornherein abwinkten: komm, weg damit, abreißen und neu bauen.

Zwei Millionen Euro dürfte so ein Abriss kosten, weitere zwei Millionen die Entsorgung des belasteten Materials, schätzen Kenner der Materie. Kein Wunder, dass eine Gutachterin den Verkehrswert der prominenten Immobilie am Westrand der Innenstadt auf nur knapp 2,5 Millionen Euro taxiert hatte. Doch als Rechtspflegerin Gudula Schenk gestern um schlag 9.53 Uhr die Zwangsversteigerung für beendet erklärte, stand da als Höchstgebot eine Summe von nicht weniger als 8,2 Millionen Euro im Raum.

Und ein Lächeln umspielte die Lippen von Bernd-Michael Kumm Vize-Chef im Forderungs-Management der Sparkasse Essen. Das Kreditinstitut hatte mit einem Erlös von allenfalls drei bis dreieinhalb Millionen gerechnet – bei einer ausstehenden Kreditsumme, die sich nach NRZ-Informationen auf zwölf Millionen Euro beläuft.

Wer beim Bieten mitschreibt, kommt kaum nach

Dass man die eigenen Verluste damit halbwegs in Grenzen halten kann, war nicht unbedingt abzusehen, obwohl im kleinen Sitzungssaal des Amtsgerichts an der Zweigertstraße an diesem Morgen drangvolle Enge herrschte. Ein Stelldichein für Bänker und Immobilien-Investoren, die vergangene Woche noch im feinen Zwirn beim Branchen-Treff „Expo Real“ aufeinandertrafen und hier jetzt in Blue-Jeans, Woll-Pulli und Turnschuhen auflaufen. Man trägt Casual – und in der Hand den beglaubigten Scheck der WGZ-Bank für die immerhin sechsstellige Sicherheitsleistung.

Die Landmark AG macht den Anfang, hinten im Saal ist das genuschelte Gebot kaum zu verstehen, aber egal, die Essener Projektentwickler von Kölbl Kruse ziehen ja prompt nach: Von deren 1,72 Millionen Euro bis zum Gebot der Fema Bauanalytik in Höhe von 1,95 Millionen vergehen 20 zähe Minuten, aber dann geht es Schlag auf Schlag, gelegentlich im Fünf-Sekunden-Takt. Den Versuch, in 1.000er-Schritten voranzukommen, erstickt die Rechtspflegerin Schenk mit einem Augenzwinkern und einem flotten Spruch im Keim: „Damit fangen wir doch jetzt wohl nicht an...“

Nein, schneller: 50.000er-Schritte, 100.000er, einmal sogar 300.000 Euro auf einmal. Die Sache wird amüsant, wer mitschreibt, kommt kaum noch nach. Kölbl Kruse steigen nach ihrem Gebot von 5,1 Millionen Euro aus, Rigi Property streicht bei 8,1 Millionen Euro die Segel, denn mit ihrem 35. Gebot landet die kleine Fema Bauanalytik UG bei 8,2 Millionen Euro.

Ende Dezember erfolgt die Zuteilung

Fema wer? Selbst bei der Sparkasse zucken sie mit den Achseln. Das Unternehmen wurde erst vor einem Jahr mit gerade mal 1.000 Euro Stammkapital gegründet und gibt als Geschäftszweck die Analyse von Bauschäden, die energetische Sanierung und Baubegleitung an. Geschäftsführer ist Manuel Fernando Marques Figueiredo, und wer den 37-jährigen gebürtigen Portugiesen am Firmensitz in der Rüttenscheider Friederikenstraße antreffen will, klingelt vergeblich an einer Schelle, der das Schild abhanden gekommen ist.

Er handle ja, sagt Figueiredo entschuldigend, für ein ausländisches Unternehmen, einen bislang in Deutschland noch nicht ansässigen Maschinenhersteller, der das Iduna-Hochhaus nun durch ihn sanieren lassen und in Teilen selbst als Sitz nutzen wolle. Näheres will man der staunenden Öffentlichkeit im Rahmen einer Pressekonferenz am 4. November mitteilen.

Freie Hand haben die Ersteigerer auch dann noch nicht: Erst „Ende Dezember, Anfang Januar erfolgt die Zuteilung“, sagt Rechtspflegerin Schenk, „dann muss das Geld da sein. Solange gilt: Nur gucken, nicht bauen.“