Essen. . Bald wird das komplette Geschehen in Essener U-Bahnhöfen und an stark frequentierten Haltestellen aufgezeichnet und 72 Stunden gespeichert.
Die letzten Vorbereitungen in der Leitstelle der Essener Verkehrsgesellschaft Evag laufen noch, die neue Software geht in die letzte Testphase, und die Disponenten an den zwölf Bildschirmarbeitsplätzen werden bereits geschult. Bald kann es losgehen: In nur wenigen Wochen schaltet die Evag ihre Überwachungskameras in den U-Bahnhöfen und an stark frequentierten Haltestellen auf Dauerbetrieb.
Ab dann zeichnet jede der 530 Videokameras (280 davon wurden neu installiert) das Geschehen an der Bahnsteigkante permanent auf und speichert die Aufnahmen 72 Stunden lang, die erst danach automatisch gelöscht werden. So sollen Straftäter abgeschreckt werden. Und: „Wir wollen das Sicherheitsgefühl unserer Kunden erhöhen“, erklärt Evag-Sprecher Olaf Frei.
Keine sensiblen und schutzwürdigen Bereiche von Privaten erfassen
Für die rund 2,5 Millionen teure Umstellung mit Hilfe der Firma Siemens war eine neue Technik nötig, weil der bisherige Speicherplatz für eine derartige Datenflut nicht ausreichte. Derzeit sind die meisten Kameras im Regelfall lediglich im Standby-Status. Sie werden nur aktiviert, wenn eine Verbindung zum Monitor in der Leitstelle geschaltet wird. Dies geschieht mit einer computergesteuerten Zufallsauswahl oder nach einem Hinweis auf einen aktuellen Vorfall.
Dass spätestens ab Dezember die Videokameras quasi rund um die Uhr auf „Record“ gestellt werden sollen, ist laut Evag mit der Datenschutzbeauftragten abgestimmt worden. Dabei ging es auch darum, dass die Kameras keine sensiblen und schutzwürdigen Bereiche von Privaten erfassen – beispielsweise den Eingangsbereich einer nahegelegenen Apotheke.
Aufgrund typischer Bewegungsmuster erkannt
Soweit liegt alles im grünen Bereich. Aber die von der baden-württembergischen Firma „Securiton“ entwickelte Software kann noch viel mehr. Sie kann mit Hilfe unzählig erstellter Simulationen eine sekundenschnelle Videoanalyse betreiben und dem Disponenten anzeigen, dass im U-Bahnhof plötzlich etwas nicht stimmt – etwa wenn ein möglicherweise verdächtiger Koffer auf dem Bahnsteig zurückgelassen wurde, sich Personen oder Gruppen besonders auffällig bewegen, ein Fahrgast aufs Gleis stürzt oder über die Schienen läuft. Sogar Graffiti-Sprayer oder Diebe würden aufgrund typischer Bewegungsmuster erkannt und in den Fokus genommen.
Die Frage ist nur, ob alles Machbare auch wünschenswert ist. Hier sind noch weitere Gespräche mit der Düsseldorfer Datenschutzbeauftragten nötig. „Grundsätzlich bewerten wir alles, was der Sicherheit dient, positiv“, sagt dazu Evag-Sprecher Nils Hoffmann. „Aber wir wollen unsere Fahrgäste natürlich nicht stalken.“ Es gehe hier um den „größtmöglichen Schutz“, ohne die Persönlichkeitsrechte zu verletzen.
Bahnhöfe und Haltestellen gelten insgesamt als sicher
Die Evag weist nochmals darauf hin, dass es trotz der hohen Beförderungszahl pro Jahr nur zu einigen Dutzend Übergriffen, Prügeleien oder Belästigungen kommt. Die Bahnhöfe und Haltestellen gelten insgesamt als sicher. Größere Probleme gibt es dagegen mit Vandalismus, hier liegen die jährlichen Schäden bei 800.000 Euro bis zu 1,5 Millionen Euro. Mit den Videoaufzeichnungen erhöhen sich die Chancen, die Täter im Nachhinein identifizieren zu können.
Fahrgäste, die Straftaten beobachten, bittet die Evag, dies der Leitstelle oder einem Fahrer mitzuteilen, weil dann die infrage kommende Tatzeit markiert und gesichert werden kann, damit die Aufzeichnung nicht gelöscht wird. Mittlerweile sind auch alle Evag-Busse und 80 Prozent der Straßenbahnen mit Überwachungskameras ausgestattet, die aber die Aufnahmen nur 36 Stunden lang speichern können.