Essen. Die harsche Kritik des Jungpolitikers Andreas Hellmann könnte zu dessen Parteiausschluss führen. Allerdings geht es dabei eher um das Begleichen alter Rechnungen. Ein Kommentar.
Es ist nicht das erste Mal, dass FDP-Ratsherr Andreas Hellmann wider den Stachel löckt. Diesmal allerdings geht es nicht um persönlich eingefärbte Hakeleien zwischen einem 26-jährigen Jungspund und seinen drei Fraktionskollegen, die seine Väter oder gar Großväter sein könnten. Mit der Flüchtlingsfrage, den Unterbringungszwängen und den damit verbundenen Sorgen und Ängsten hat sich Hellmann ein Feld ausgesucht, das vermint ist wie kein anderes. Diese zwei Ebenen – die aktuelle politische und die menschliche mit schon längerer Vorgeschichte – vermischen sich gerade zu einer brisanten Mixtur, die die Essener Liberalen zu zerreißen droht.
Hellmann will sich nicht an die stillschweigende Übereinkunft in Teilen der politischen Klasse halten, wonach sich eine offensiv-kritische Thematisierung des Flüchtlings-Themas verbietet, um die ohnehin vorhandenen Ängste nicht zu verstärken. Diese Zurückhaltung ist gut gemeint, aber auch arg pädagogisierend und verrät ein Bild vom Bürger, das jedenfalls den freiheitlichen Werten einer FDP widerspricht.
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Die Bürger sind ja nicht dumm, sie sind keine Mündel der Politik, wie einige offenbar meinen. Sie wissen sehr genau, dass dieses Land gerade vor der größten Herausforderung seit vielen Jahrzehnten steht. Für diese Erkenntnis braucht übrigens auch niemand einen Ratsherrn Hellmann, der andererseits nichts gesagt hat, was nichts tausendfach unter ganz normalen Bürgern diskutiert würde.
Dass sich die Bundeskanzlerin („Wir schaffen das“) mit der Grenzöffnung und ihren Folgen womöglich etwas viel vorgenommen hat, ist keine sonderlich exotische Meinung. Dass sie von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, versteht sich sowieso von selbst. Wenn die Essener FDP Hellmann wirklich ausschließen sollte, dann ist der Grund also eher in der günstigen Gelegenheit zu sehen, alte Rechnungen zu begleichen – und die älteren Herren der Ratsfraktion von einem Quälgeist zu befreien.
Falsch liegt Hellmann mit seiner Kritik an der Stadtverwaltung, die gewiss nicht gerne Turnhallen als Unterkunft bereitstellt. Denn dies ist nicht nur für Schulen und Vereine mit Härten verbunden und reduziert die Akzeptanz der Gesamtlage bei den Bürgern weiter. Die Möglichkeit, Sport zu treiben ist auch eines der Mittel, das bei der Integration helfen kann. Die Städte aber stehen nun einmal ganz am Ende der Herausforderungskette. Sie werden von den staatlichen Stellen letztlich gezwungen, die Flüchtlinge unterzubringen, die ihnen zugewiesen werden.
Daraus kann man den verantwortlich Handelnden keinen Strick drehen, zumal Hellmann keinerlei Vorschläge machte, was die Stadt stattdessen tun soll. Das ist allzu billig.