Essen. Ob Ferienspatz oder Kita-Platz – solche Angebote gehören zur Palette des Jugendamtes. Wie vielfältig die Hilfe für Familien ist, zeigt eine Kampagne
Es ist das größte Amt innerhalb der Stadtverwaltung und es ist so nah am Leben der Bürger wie kein anderes. Und doch leidet das Jugendamt an einer Außenwahrnehmung, die oft auf diesen einzigen Satz reduziert wird: „Die nehmen den Leuten die Kinder weg.“ Dabei könnte man es auch genau anders herum formulieren: Die tun alles, damit Kinder glücklich bei ihren Eltern aufwachsen.
Alle zwei Jahre gehen Jugendämter bundesweit an die Öffentlichkeit, um das Bild von ihrer Arbeit gerade zu rücken. „Das Jugendamt – Unterstützung, die ankommt“, heißt das Motto der Kampagne, an der Essen seit dem Start 2011 teilnimmt. In diesem Jahr hat man sich die erste Herbstferien-Woche ausgesucht, um jetzt zu zeigen, wo überall das Jugendamt drinsteckt.
Ein Mitarbeiter namens Ferienspatz
Zum Beispiel im Ferienspatz, der als einzigartige Erfolgsgeschichte des Essener Jugendamtes gilt: Als er 1973 das erste Mal abhob, umfasste die eilends geplante „Ferienspaßaktion“ vor allem kostenlose Freibadbesuche und ein paar Ausflüge; später wurden Filme gezeigt und gar Brauerei-Besichtigungen angeboten. Aus dem Programm hat sich 40 Jahre später ein Sommerferien-Angebot mit hunderten Kursen, Sportcamps und (Tages-)Fahrten entwickelt. Zugleich wurde das Format regelmäßig den gewandelten Bedürfnissen der Familien angepasst: Weil viele Berufstätige eine verlässliche Betreuung benötigen, gibt es nun auch ein Programm für die Herbstferien.
Flapsig könnte man den Ferienspatz als einen der rund 1500 Mitarbeiter des Jugendamtes bezeichnen. Jedenfalls gehöre er zur Angebotspalette wie die 256 Kitas, betont Jugendamtsleiterin Annette Berg. Zwar betreibt die Stadt nur 48 Kitas selbst, doch ein Netz der Kinderbetreuung zu knüpfen, die Kirchen und die Wohlfahrtsverbände als Träger zu gewinnen, sei Kernkompetenz ihres Amtes. „Wir erfüllen unseren gesetzlichen Auftrag in vielen Bereichen gemeinsam mit freien Trägern“, sagt Berg. „Dabei tragen wir die Planungsverantwortung und prüfen die Qualitätsstandards.“
Eine langfristige Aufgabe
In dieser Woche wird das Jugendamt in den Kitas verstärkt Flagge zeigen: „Unbeschwert groß werden“, steht auf den Plakaten, die dort aufgehängt werden. Für Annette Berg ist das kein Slogan, sondern Versprechen. „Wir wollen ein gelingendes Aufwachsen aller Kinder sicherstellen.“ Weil manche Familie da an Grenzen stoße, wolle man für jedes Lebensalter des Kindes die passende Hilfe bieten. Dazu gehört seit einigen Jahren der Babybesuchsdienst, der alle frisch gebackenen Eltern aufsucht. „Ab 2016 gibt’s auch beim zweiten Kind einen Besuch, wenn die Eltern es wünschen“, sagt Berg. Ein Geschwisterkind bringe eben neue Herausforderungen mit sich.
Natürlich gebe es auch jene Fälle, in denen das Jugendamt Kinder aus Familien nehmen müsse und sie zu Pflegeeltern oder in Heime vermittle. Und ja, die Zahl dieser Inobhutnahmen sei 2014 auch in Essen gestiegen. Es sei eben eine langfristige Aufgabe, Familien zu stärken, Kinderarmut zu bekämpfen, allen eine gute Bildung mitzugeben. Eine Aufgabe, die mit den vielen Flüchtlingskindern noch wichtiger wird.
Kindeswohl und Jugendschutz
Annette Berg, die ihr Amt vor einem Jahr antrat, hat zuvor in Monheim bewiesen, dass sie Ausdauer hat: 15 Jahre leitete sie dort das Jugendamt, sammelte Erfahrungen, die ihr auch im viel größeren Essen helfen. „Und hier habe ich nicht nur ein tolles Team; ich staune auch, wie viele Vereine, Stiftungen und Einzelpersonen sich für Kinder einsetzen“, schwärmt sie. „Ich bin angekommen.“
Das Jugendamt hat laut Gesetz den Auftrag, „dafür Sorge zu tragen, dass Angebote und Leistungen der Jugend(sozial)arbeit, der allgemeinen Familienförderung, der Beratung zu Fragen von Partnerschaft, Trennung und Scheidung zur Verfügung stehen“. Außerdem ist es für Kitas und Tageseltern, für Hilfen zur Erziehung oder Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche zuständig. Schließlich wacht es über Kindeswohl und Jugendschutz.
Neue Themen wie Flüchtlinge angehen
In der Praxis begegnet man dem Jugendamt bei Mädchenarbeit und Medienpädagogik, beim Kinderforum im Rathaus oder in der Adoptionsvermittlung, in Schulsozialarbeit und Kita. Hier arbeiten Erzieherin, Vormund, Sozialpädagoge, Psychologe oder Hebamme.
Das Essener Jugendamt hat 1500 Mitarbeiter und einen Etat von 300 Millionen Euro, sagt Leiterin Annette Berg. Es erfüllt seine Aufgaben zusammen mit vielen freien Trägern, die auch im Jugendhilfeausschuss sitzen. Nach einem Jahr kenne sie fast alle Akteure, so Berg. Nun wolle sie deren Arbeit noch besser vernetzen und neue Themen wie Flüchtlinge angehen.