Essen. Schauspieler Heinrich Schafmeister gastiert bald im Rathaus-Theater. Ein Gespräch über seine Heimatstadt Essen, alte Freunde und fehlende Eitelkeit.
Heinrich Schafmeister (58) ist ein Kind des Ruhrgebiets. In Essen aufgewachsen und an der Folkwang-Hochschule ausgebildet, gehört der Schauspieler zu den vertrauten Größen auf Bühne und Bildschirm („Wilsberg“). Mit den „Comedian Harmonists“ hat er vor Jahren ein Millionenpublikum begeistert. Nun kommt er mit der Komödie „Die Selbstanzeige“ ins Rathaus-Theater. Mit Martina Schürmann sprach er über alte Freundschaften und das künstlerische Sein zwischen Tiefsinn und Unsinn.
Herr Schafmeister, was verbinden Sie heute noch mit Essen?
Heinrich Schafmeister: Das ist immer noch Heimat. Ich bin ein Ruhrgebietskind und werde es immer bleiben, auch wenn ich im Oktober nach 25 Jahren von München nach Berlin ziehe.
Sie mögen den Menschenschlag?
Schafmeister: Das ist so eine Art Hassliebe: Hier wohnen die tollsten und umgänglichsten Menschen in Deutschland. Es gibt kaum Eitelkeiten, das zeichnet sie aus und das ist gleichzeitig auch das Problem. Ich komme ja in viele deutsche Gegenden und Städte, schon deshalb mache ich unheimlich gerne Theatertourneen. Jeder Ort ist eigentlich besser als sein Ruf, und jeder Ort sagt auf seine Weise: Mir san mir! Nur das Ruhrgebiet sagt lieber nix - und wird oft links liegengelassen.
Was verbinden Sie bis heute automatisch mit dem Revier?
Schafmeister: Den vielen Verkehr. Ich bin in Bergerhausen groß geworden, Ruhrallee. Deshalb finde ich es heute richtig amüsant, wenn die in Berlin zu mir sagen: Zur Straße raus könnt’s laut werden.’ Dann lach ich nur und sach: „Ich komm außem Ruhrgebiet, da hat jedes Haus seinen eigenen Autobahnanschluss.’
Den Ruhrpott-Sound haben Sie noch drauf, keine Dünkel?
Schafmeister: Man wird hier immer unheimlich schnell wieder geerdet. Letztens trafen meine Frau und ich meinen Kollegen Henning Baum, der lebt ja hier. Da haben wir uns auch über Essen unterhalten und waren uns sofort einig: Man wird hier schon „als Star“ wahrgenommen. Aber dann heißt es auch: Geh mal in Keller und hol’n Kasten Bier hoch!
Gibt es noch Kontakte zu den alten Kommilitonen von der Folkwang-Hochschule?
Schafmeister: Wir waren schon ein toller Schauspieljahrgang, unter anderem mit Armin Rohde, Dieter Brandecker, Hansa Czypionka. Aber mit Essen verbinde ich auch andere künstlerische Freundschaften: Mein dickster Freund in Essen, Andreas Kunze, ist ja leider schon vor fünf Jahren verstorben. Piet Klocke, mit dem ich auch Musik gemacht habe, ist Essen treu geblieben.
Wäre Ihnen während des Studiums in den Sinn gekommen, mal auf einer Boulevard-Bühne zu stehen?
Schafmeister: Ich habe ja anfangs überhaupt nicht an Schauspielen gedacht. Ich habe Musik gemacht und war viel mit dem Rocktheater „Kamikaze-Orkester“ unterwegs, bis ich gemerkt haben, dass es so nicht weiter ging. Ich war total pleite und wurde sogar krank, weil ich mich nicht richtig ernähren konnte. Da hat mich meine damalige Freundin auf die Idee mit der Schauspiel-Schule gebracht.
Und Sie waren Feuer und Flamme?
Schafmeister: I wo. Ich hab nur gedacht: Unsinn machen auf der Bühne, kann man das denn studieren? Ich bin dann trotzdem hingegangen und habe vorgesprochen: Andorra, Der eingebildete Kranke, Richard III, eigentlich kannte ich nichts davon. Aber die haben mich genommen. Danach habe ich gedacht: Jetzt musst du mal ins Theater gehen, damit du überhaupt weißt, wo du im Zweifel landest. Da bin ich nach Bochum gefahren. Was die da machten, fand ich schon sehr beeindruckend.
Sie haben in Berlin vor einigen Jahren die erste Schauspiel-Gewerkschaft mitgegründet und engagieren sich als Vorstandsmitglied des Bundesverband Schauspiel (BFFS). Was sind die Herausforderungen?
Schafmeister: Ein Riesenproblem ist sicherlich die Alterssicherung. Man kann heute davon ausgehen, dass Schauspieler, die nicht Spielzeit-verpflichtet sind, später in Altersarmut verfallen. In die Künstlersozialkasse dürfen wir nicht rein, weil wir nicht selbstständig sind. Schauspielen ist zwar eine künstlerische, aber keine selbstständige Tätigkeit. Wir sind in der Regel kurz befristete Angestellte und die werden von der Sozialgesetzgebung arg benachteiligt.
Und die Honorare reichen nicht aus für Rücklagen?
Schafmeister: Bei 95% der Kollegen nicht. Als Schauspieler werden wir je Drehtag bezahlt oder wie jetzt im Rathaus-Theater je Vorstellung. Die meiste Arbeit aber findet ja schon vorher und zwischen den Drehtagen statt. Der Text muss sitzen, man muss gut vorbereitet sein. Während dieser Zeit wird man aber weder bezahlt noch sozialversichert. Und zwischen den Engagements kann es lange Pausen geben, da müssen wir dann zum Arbeitsamt - schon um Rentenbeitragslücken zu schließen. Wir haben mit unserer Gewerkschaft jetzt immerhin einen Schauspieltarifvertrag durchgesetzt. Damit gibt’s endliche eine Einstiegsgage, die Berufseinsteiger bekommen müssen. Die „älteren Hasen“ unter uns sollten je nach Erfahrung, Bekanntheitsgrad, Verhandlungsgeschick natürlich mehr verdienen.
Komödie im Rathaus-Theater
„Die Selbstanzeige oder: die Steuern, mein Onkel und ich!“ ist eine Komödie von Francis Verber, Deutsch von Dieter Hallervorden. Das Stück läuft vom 18. September bis 4. Oktober im Rathaus-Theater. Karten: 24 555 55.
Neben Heinrich Schafmeister als arbeitsloser Gernegroß Francois spielen Jens Knospe und Musical-Star Anna Montanaro.
Ums liebe Geld geht es ja auch in dem Stück „Die Selbstanzeige“, mit dem Sie jetzt nach Essen kommen.
Schafmeister: Ja, und alle denken bei dem Titel erst einmal an Ulli Hoeneß. Aber anders als der Bayern-Manager, der ja nicht unbedingt wild darauf war, mit der Geschichte in die Öffentlichkeit zu kommen, spiele ich einen Niemand, der sich durch die Selbstanzeige erst sichtbar machen und bei seinen Freunden interessant machen will. Und Aufmerksamkeit bekommt er dann ja auch.