Essen. . Sie engagiert sich in der Kirchengemeinde und hat als Bundespolizistin Flüchtlinge bei Abschiebungen begleitet: von Tränen, Zweifeln und Menschlichkeit.
Sie ist dabei, wenn die Menschen mit wenig Gepäck und großen Erwartungen am Flughafen Düsseldorf landen. Wenn ihre Blicke nach jemanden in Uniform suchen, dem sie diesen wichtigen Satz sagen können: „Wir werden verfolgt.“ Manuela Weber (Name geändert) ist Bundespolizistin, lebt in Essen und arbeitet in Düsseldorf.
Auch dort landen dieser Tage viele Flüchtlinge aus den Krisenstaaten der Welt. Manuela Weber und ihre Kollegen begrüßen und befragen sie, unter anderem um den Schleppern auf die Spur zu kommen. Danach kommen die Menschen in eine Erstaufnahmeeinrichtung.
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Doch Manuela Weber kennt nicht nur die Ankunft der Flüchtlinge, sie erlebt auch, wenn sich nach Wochen, Monaten, Jahren alle Hoffnungen zerschlagen haben: Wenn der deutsche Staat ihr Asylbegehren ablehnt und sie auffordert, auszureisen. Wer das nicht freiwillig tut, wird abgeschoben, „und vom Ordnungsamt oder von der Landespolizei abgeholt und ins Flugzeug gesetzt“.
Freiwillig bei Abschiebungen – kein Beamter muss das tun
Schließlich seien da noch jene Flüchtlinge, die straffällig sind und in ihrem Heimatland der Polizei übergeben werden sollen; oder solche, die auf der Flugreise nach Afrika eine Zwischenlandung in London oder Paris haben, und da nicht abhanden kommen sollen. Sie werden auf ihrer Heimreise wider Willen von Bundespolizisten begleitet.
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Es kann schreckliche Szenen geben in diesem Moment, der über ein Schicksal entscheidet. 1999 kam ein Sudanese durch ruppige Grenzschützer zu Tode (siehe Seite des Artikels). „Seither werden die Kollegen viel intensiver geschult“, sagt Manuela Weber. Auch gebe es Abschiebe-Beobachter von Kirchen und Pro Asyl. „Es hat sich viel verändert, Deutschland macht das sehr human.“
Aber geht das überhaupt? Sie hat schon Freunde verloren, als sie nur die Ausbildung beim damaligen Bundesgrenzschutz begann. Sie kam aus einem eher alternativen Milieu – und meldete sich für Abschiebungen. Freiwillig, denn kein Beamter muss das tun. Sie sah es nach dem drögen Objektschutz als eine Herausforderung; ihr Freundeskreis fragte: „Wie kannst du willkürliche Entscheidungen exekutieren?“ Sie glaube auch, dass es den Deutschen so gut gehe, dass sie Verfolgte und Kriegsflüchtlinge aufnehmen sollten. „Aber nicht jeder, der wirtschaftliche Gründe hat, kann bleiben. Ich hoffe, dass die Verantwortlichen da richtig entscheiden.“
Kaffeetrinken mit Flüchtlingen
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Trotzdem kennt sie den Zweifel. Sie selbst hat sich in ihrer Kirchengemeinde für Familien eingesetzt, die abgeschoben werden sollten. Sie hat aber auch Mutter, Vater und zwei kleine Kinder ins armenische Eriwan gebracht. „Die waren einige Jahre hier, die Frau sprach gebrochen Deutsch.“ Gut genug, um sich mit Manuela Weber zu unterhalten, die immer wieder beteuerte, sie könne ihr nur den Flug möglichst angenehm machen. „Wir haben gelacht und geweint.“ In Moskau stiegen sie in eine klapprige Maschine um – „mit Hühnern im Passagierraum!“ Da habe die Frau nun sie getröstet, sie müsse keine Angst haben. „Und in Eriwan gab sie mir ihre Adresse: Kommen Sie uns mal besuchen.“
Es war ein Fall, der ihr sehr nahe ging, doch auch sonst habe sie auf Gespräch, auf Menschlichkeit gesetzt. Bei Zwischenstopps in Paris bot sie Flüchtlingen an, sie nicht im Arrest bei den französischen Kollegen abzuliefern. „Wir gingen Kaffee trinken – und keiner ist abgehauen.“ Auch Aggression habe sie nie erlebt, eine Kollegin sei aber gebissen worden. Wenn sich ein „Schübling“ widersetze, könne der Pilot jederzeit ablehnen, ihn und die – übrigens unbewaffneten – Bundespolizisten an Bord zu lassen. Längst scheitere an der Weigerung der Fluggesellschaften manche Abschiebung. Und für die eigens eingesetzten Sammel-Charter mit vielen Flüchtlingen brauche man auch viele Beamte.
Als man kürzlich Kollegen für Abschiebungen suchte, hat Manuela Weber nicht die Hand gehoben. Sie hat jetzt Familie, „und das sind keine familienfreundlichen Einsätze“.
Essen 2014: Nur 13 von 650 Flüchtlingen vom Balkan abgeschoben
Die Zahl der Abschiebungen hat 2014 den höchsten Stand seit acht Jahren erreicht: 10.884 Menschen wurden aus Deutschland abgeschoben, 8577 davon auf dem Luftweg. Dennoch klagte der Essener Landtagsabgeordnete Ralf Witzel (FDP) im März über eine zu zögerliche Abschiebepraxis: Nur 13 von 650 ausreisepflichtigen Flüchtlingen vom Balkan wurden 2014 aus Essen abgeschoben. 283 reisten freiwillig ab.
Für einen Schock sorgte 1999 der Tod eines Sudanesen (30) auf einem Flug von Frankfurt nach Kairo. Er war an Händen und Füßen gefesselt und musste einen Motorradhelm tragen. Beim Start drückten Bundesgrenzschutzbeamte seinen Kopf nach unten, wobei er erstickte. 2004 wurden drei der Beamten zu Bewährungsstrafen verurteilt.
Nach dem Todesfall wies der Bundesinnenminister an, „im Zweifel eine Rückführungsmaßnahme eher abzubrechen“. Die Beamten werden heute besser geschult, auch zum lagebedingten Erstickungstod, wie ihn der Sudanese erlitt. Pro Asyl bestätigte jüngst, dass die „Fälle exzessiver Gewaltanwendung selten“ sind. Und Fluggesellschaften können sich weigern, Abschiebe-Passagiere gegen deren Widerstand zu befördern. Nun weichen die Behörden oft auf Sammel-Charter aus.