Essen. „Kufen wählen!“ ruft die Kanzlerin den Essenern bei ihrer Stippvisite auf dem Burgplatz zu. Der CDU-Herausforderer kann Schützenhilfe gebrauchen: Eine WDR-Umfrage sieht OB Paß mit 42:37 Prozent vorn.
Draußen vor dem Dom läuft die christdemokratische Wahlkampfmaschine auf Hochtouren, aber Angela Merkel hat nur Augen für die Goldene Madonna: Lässt sich den Kunstschatz erklären, mit dem die Heilige Maria seit Jahrzehnten als „Mutter vom Guten Rat“ verehrt wird und nimmt ein Buchgeschenk in Empfang, das 1.000 Jahre Herrschaft adeliger Frauen in Essen schildert: „Macht in Frauenhand“, wie passend.
Ein paar Minuten später aber geht es um die lokale Macht in Männerhand, und da schlägt sich die im Volk ausgesprochen beliebte Mutti vom guten Rat an diesem Freitagnachmittag massiv auf die Seite von Thomas Kufen: Vor gut 3.000 Schaulustigen auf dem Burgplatz und der nahen Kettwiger Straße – darunter auch einige hundert (Gegen-)Demonstranten – bricht sie eine Lanze für den CDU-Herausforderer von Oberbürgermeister Reinhard Paß, denn der ist auch Hoffnungsträger für die Großstadt-Kompetenz der CDU bundesweit. Und kann Schützenhilfe durchaus gebrauchen, denn eine gestern veröffentlichte Umfrage von infratest dimap sieht Paß mit 42:37 Prozent vor Kufen.
Beifall von jungen Syrern
Immerhin 23 Minuten redet die Bundeskanzlerin über die geballte Unterstützung, die sie – bei Kommunalwahlkämpfen in der Tat ein Novum – Thomas Kufen mit auf den Weg geben will: Einem, der „eine neue Kultur des Anpackens“ ins Rathaus bringen würde, wie sie meint, und dessen Wirtschaftsförderungs-Slogan von „Startup und Steigerlied“ es Merkel angetan hat.
Kanzlerin Merkel in Essen
Die Kanzlerin ist von den lokalen Matadoren gut gebrieft, spielt selbst auf die SPD-internen Querelen bei der Kandidatenfindung an und wirbt für das Kreuzchen bei Kufen genauso wie für die Solidarität mit Flüchtlingen. Das kommt bemerkenswert gut an, nicht nur bei den jungen Syrern, die Jamal Osman, Sprach- und Integrationsmittler bei der Stadtverwaltung, noch am Morgen zum Burgplatz eingeladen hat. Auch bei den vielen anderen Migranten, die zum Burgplatz gefunden haben.
Nationalhymne übertönt Demonstranten
„Danke Frau Merkel“ steht auf ihren Plakaten, eine nette Geste, die fürwahr nicht jeder teilt: Einige hundert Demonstranten sind auf der Gegenspur, versuchen Merkel niederzuschreien oder -zupfeifen, wollen durch Singen nerven und manchmal auch nur durch stilles Transparentehalten – von Kita-Mitarbeitern („Wertet unsere Arbeit auf“) bis zu rechtslastigen Asyl-Protestlern aus Frintrop, von den Kohle-Klima-Kritikern von Greenpeace bis zu Russland-Freunden oder Flüchtlings-Aktivisten, die Abschiebung als „Deportation“ geißeln. Nicht zu vergessen die Partei-Ironiker, die „Streicheln für alle“ formulieren.
Angelegentlich nehmen sich die Demonstranten auch gegenseitig aufs Korn: Die „Nazis raus!“-Rufe sind unüberhörbar, aber am Ende übertönt die kraftvolle Lautsprecheranlage sie alle. Die Nationalhymne läuft. Kaum einer singt.
