Essen. Seit 2013 gibt es Proteste rund um ein Asyl-Heim in Frintrop, nach Gerüchten um eine Vergewaltigung droht die Lage zu eskalieren. Polizei ermittelt.
Am Anfang stand der Protest gegen eine gefühlte Ungerechtigkeit: Als 2013 bekannt wurde, dass das Gebäude der ehemaligen Walter-Pleitgen-Schule in Frintrop ein Asylheim werden würde, fühlten sich etliche Anwohner von der Stadt schlecht informiert und missachtet. Von einem kurzzeitigen Notbehelf war zunächst die Rede. Tatsächlich machten es steigende Flüchtlingszahlen unmöglich, die als Provisorium gedachte Unterkunft rasch wieder zu schließen, was neuen Unmut produzierte. Bürgerinitiativen bildeten sich, Foren im Internet entstanden, die Facebook-Gruppe „Stadt Essen hintergeht Frintroper Bürger“ machte mobil. Es ging und geht um zu viel Lärm, um Schlägereien, um nächtliche Polizei- und Feuerwehreinsätze. In die seit fast zwei Jahren stetig aufgeheizte Atmosphäre platzte vor einigen Tagen ein Gerücht, das Angst und Sorgen im Stadtteil weiter verschlimmert hat: Ein Mädchen sei vergewaltigt worden, und der Täter sei Bewohner der Walter-Pleitgen-Schule.
Die Polizei hatte die Ermittlungen kaum aufgenommen, da ging die vermeintliche Nachricht - als feststehende Wahrheit geadelt - bereits im Alarm-Stil durch Frintrop. Den Essener Medien, auch der WAZ, wurde vorgeworfen, sie wollte den Vorgang verheimlichen, obwohl es für Journalisten noch absolut nichts Belegbares zu berichten gab, was für eine seriöse Berichterstattung Voraussetzung ist.
"Viele Menschen in Frintrop haben große Angst"
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Am Freitag nun bestätigte die Staatsanwaltschaft: Ja, es ist ein Sexualdelikt in Frintrop angezeigt worden. Tatort soll am 28. Juli der Spielplatz an der Seestraße gewesen sein. Wenig später „kam es zum polizeilichen Eingreifen, in diesem Zusammenhang wurde ein 18-Jähriger verhaftet“, erklärte Oberstaatsanwältin Anette Milk. Das mutmaßliche Opfer sei sehr jung. Weitere Einzelheiten wollte Milk aus Opferschutzgründen nicht preisgeben. Der Haftbefehl erfolgte nach Paragraf 177, darunter falle Vergewaltigung, aber auch sämtliche Fälle von sexueller Nötigung, angefangen vom Anfassen an die Brust. Als Haftgrund gab die Staatsanwältin Fluchtgefahr an. Milk wies darauf hin, dass „der Ausgang des Verfahrens keinesfalls feststeht.“
Tatsächlich steht nach WAZ-Informationen Aussage gegen Aussage. Unstrittig ist, dass es zu sexuellen Handlungen gekommen ist. Ob eine Nötigung dahinter stand, ist offen, um eine Vergewaltigung soll es sich nicht handeln. Das Mädchen soll 14 Jahre alt sein.
Für den Beschuldigten gelte die Unschuldsvermutung, betont Anette Milk, und das sei nicht etwa nur reine Formsache. Ob sich der dringende Tatverdacht nun erhärtet oder entkräftet, bleibe abzuwarten. Wie die angezeigte Tat sich genau abgespielt habe, könnten erst die laufenden Ermittlungen zeigen.
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„Viele Menschen in Frintrop haben große Angst, und das ist durch diesen Fall noch größer geworden“, sagt CDU-Ratsfrau Regina Hallmann, zu deren Wahlkreis Frintrop gehört. Sie hält, wie sie sagt, zu den Initiativen „engen Kontakt“ und versteht den Unmut: „Es gibt wirklich viele Missstände, das ist ja das Traurige.“ Auch der langjährige SPD- und heutige FDP-Ratsherr Peter Lotz, seit über 30 Jahren in Frintrop aktiv, spricht von erheblicher Verunsicherung im Stadtteil. „Sie können hinkommen, wo sie wollen, überall werden Sie angesprochen.“ Die Angst werde geschürt von Rechtsradikalen, die auch dem in Frintrop heimischen SPD-Fraktionschef Rainer Marschan besondere Sorgen machen: „Ich halte das für eine gefährliche Entwicklung.“
"Es gibt keinen Ansatz einer Gefahr"
Ist die Angst berechtigt? Die Auskunft der Polizei ist auch vor dem Hintergrund des möglichen Sexualdelikts glasklar: „Es gibt keinen Ansatz einer Gefahr“, sagt Polizeisprecher Peter Elke. Zwar gebe es in Flüchtlingsheimen generell mehr Einsätze als etwa in Mehrfamilienhäusern. „Es gibt aber in Frintrop nicht mehr Einsätze als in anderen Unterkünften.“ Wenn es Grund zur Sorge geben sollte, „dann wird die Polizei reagieren.“ Die Bürger sollten falsche oder halbgare Informationen nicht einfach glauben, sondern fragen, ob die Quelle seriös sei, rät die Polizei. Manche würde bewusst mit den Ängsten von Menschen spielen.
Melina Arnold (24) findet, dass die Bürger allen Grund zum Misstrauen hätten. Die Walter-Pleitgen-Schule sei wegen Sanierungsbedarf geschlossen worden, dann aber für die Asylbewerber renoviert worden, während ihre Kinder auf andere Schulen verstreut wurden. Gemeinsam mit Chantal von Kiedrowski (30) ist Melina Arnold Spielplatzpatin - genau dort, wo der Vorfall am 28. Juli geschah. Viel zu oft, erzählen die jungen Mütter, hätten sie jugendliche Flüchtlinge darauf hinweisen müssen, dass sie dort keinen Alkohol trinken und keinen Müll entsorgen sollen. Sie berichten von Pöbeleien und Beleidigungen.
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Das Miteinander funktioniert aus ihrer Sicht in Frintrop nicht, „weil wir ein Dorf sind, eine eingeschworene Gemeinschaft.“ Die Flüchtlinge in die Gesellschaft einzugliedern, könne doch nicht ihre Aufgabe sein. Viel zu hoch seien sprachliche Hürden und kulturelle Barrieren. Für die beiden Frauen steht fest, dass sich in ihrem Stadtteil etwas ändern müsse. „Wenn das hier so weiter geht, wird die Lage eskalieren.“
„In die rechte Ecke gehören wir nicht“
Wie die Politik, weiß auch die Stadtverwaltung seit langem um die Lage in Frintrop, den Klagen über Lärm, Schlägereien, nächtlichen Polizeieinsätzen und wilder Müllentsorgung. „Wir gehen den Vorwürfen nach“, sagt Stadt-Sprecherin Nicole Mause. Es gebe eine 24-Stunden-Betreuung, die dafür sorgt, „dass alles im Rahmen bleibt und nach der Hausordnung läuft.“ Es gebe den Sicherheitsdienst der Firma European Homecare, die zuständig für die Einrichtung ist. Wenn viele Menschen auf so begrenztem Raum zusammen leben, komme es zu Konflikten, räumt Mause ein. „Wir haben aber nicht den Eindruck, dass es in Frintrop schlechter läuft als in anderen Stadtteilen.“ Ungewöhnlich groß sei jedoch die Wut der Bürgerinitiative in Frintrop. Sie wolle, dass die Stadt diese Einrichtung auflöse. Mause: „Das können wir nicht tun.“
Sind in Frintrop also Hysteriker am Werk, Ausländerfeinde gar? „In die rechte Ecke gehören wir nicht“, sagt Wolfgang Röttges, einer der Sprecher der Initiative. Er räumt ein, dass es „radikale Kräfte“ gebe, wobei sein Bedürfnis nach Abgrenzung nicht sehr ausgeprägt ist. Denn auch jene Radikalen sind laut Röttges kommenden Freitag, 17 Uhr bei einer großen „Infoveranstaltung“ in der Gaststätte Wienert am Höhenweg 100 dabei. Unerwünschte gibt es laut Einladung auch: „Politiker und Medienvertreter“.