Essen. Die Wasserralle, ein seltener Vogel, lebt dort, wo die Emschergenossenschaft in Essen-Frohnhausen ein Millionenprojekt plant. Einen eigens neu gebauten Tümpel mag das Tier nicht.

Stellen Sie sich vor, Ihnen baut jemand ein neues Haus. Kostenlos und ohne Miete. Weil Ihnen Ihre alten vier Wände aber so gut gefallen, ziehen Sie nicht um. So muss man sich die Situation am Borbecker Mühlenbach in Essen-Frohnhausen vorstellen. Wo die Emschergenossenschaft an der Grenze zu Mülheim einen Großbau plant, wohnt die geschützte Wasserralle. Der seltene Vogel soll umgesiedelt werden. Nur will das bislang trotz aller Anstrengungen nicht klappen.

Die Emschergenossenschaft plant am Frohnhauser Weg ein unterirdisches Rückhaltebecken. Eineinhalb Jahre Bauzeit sind vorgesehen, ein niedriger zweistelliger Millionenbetrag ist veranschlagt. Ein Großprojekt, das sich bei der Bezirksregierung Düsseldorf in der Genehmigungsphase befindet. Bei der gesetzlich vorgeschriebenen Kartierung fanden die Naturexperten von der Biologischen Station Westliches Ruhrgebiet unter den 45 Vögeln auch die seltene Wasserralle. Diplom-Biogeograph Tobias Rautenberg sah das Tier zwar nicht, hörte aber mehrfach den markanten Gesang. Und wo die etwa 30 Zentimeter große Ralle wohnt, darf nicht gebaut werden.

Ruhiger und unauffälliger Vogel

Die Emschergenossenschaft und die Biologische Station Westliches Ruhrgebiet vereinbarten eine Umsiedlung. Knapp einen Kilometer vom bekannten Revier entfernt, wurde im Winter ein idyllisches Ersatzrevier angelegt. Ein Tümpel, malerisch in einer Tal-Aue gelegen. Mit etwas Schilf und viel Ruhe angereichert und damit auf die Wünsche und Bedürfnisse der Wasserralle abgestimmt. Nur sträubt die sich bislang gegen den Umzug.

„Während der Brutzeit von April bis Juni konnte ich ein Wasserrallenrevier an der alten Stelle auf der Fläche am Borbecker Mühlenbach an drei von vier Kontrollterminen feststellen. Am neuen Gewässer gelangen noch keine Nachweise“, sagt Diplom-Biogeograph Tobias Rautenberg. Offenbar fühlt sich der Vogel, der außerhalb von Balz- und Brutzeit verhältnismäßig ruhig und unauffällig ist, in bekannter Umgebung wohl. Und nutzt sein neues Sommerloch bislang nicht.

Nächste Brutzeit Ende März 2016

Möglicherweise haben auch die Mülheimer, Frohnhauser und Schönebecker, die hier im Winkhauser Tal gerne spazieren gerne, dafür gesorgt, dass der Vogel nicht umziehen will. Denn die Hundebesitzer unter den Spaziergängern hatten das Habitat kurz nach dem Bau als Erfrischungsbecken für ihre Vierbeiner entdeckt. Mit der von der Wasserralle geschätzten Ruhe wurde es also nichts. „Die Störungen und Schäden in den Uferzonen stellten auch ein Problem für die Gewässerentwicklung dar. Im Laufe des Sommers ist es wohl etwas besser geworden“, sagt Natur- und Tierexperte Rautenberg.

Bei der Befriedung hat auch die Emschergenossenschaft mitgeholfen, die das Badegewässer mit Stacheldraht einzäunte. Ein „Naturschutzgebiet“-Schild mit Zugangsverbot wurde aufgestellt. Ein benachbartes Maisfeld bietet zudem Sichtschutz.

„Ich werde in diesem Jahr noch weitere Kontrollen durchführen, vor allem um die Entwicklung des Gewässers zu beobachten“, sagt Tobias Rautenberg. Wenn dann Ende März 2016 die nächste Brutzeit für die Wasserralle beginnt, wird der Diplom-Biogeograph wieder auf der Lauer liegen und horchen.