Leithe ist uraltes Agrarland und ein echter Stadtteil von Essen
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Essen. Leithe ist ein Stück uraltes Agrarland an der Essener Stadtgrenze. Hier haben alte Bauerngeschlechter Einfluss. Folge 9 der Stadtteil-Serie “60 Minuten in...“.
Leithe? Was ist denn das? Mit Sicherheit würde man diese Gegenfragen von vielen Essenern gestellt bekommen, fragte man sie nach dem Stadtteil an der Bochumer Stadtgrenze. Ein Teil von Kray? So würde mancher vielleicht noch fragen. Leithe ist aber ein „echter“ Stadtteil und dabei landschaftlich sehr schön. Fast lückenlos kann man von Nord nach Süd im Grünen wandern. Ein Stück uraltes, ziemlich stilles Agrarland am Rande von Essen.
Das ist Essen-Leithe
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Bauer Christoph Ridder kann davon sehr genau berichten, denn er ist hier groß geworden. Bei seiner Einschulung musste er sich erstmal an die vielen Kinder gewöhnen. Spricht man mit ihm über die Entwicklung Leithes, dann kommt schnell die Rede auf die fünf alten Höfe. „Man muss wissen, wo man herkommt“, sagt der Mann, der seinen Familiennamen bis ins Jahr 1332 zurückverfolgen kann. Da gehörte die Familie Ridder noch der Ridderhof in Kray, der an der Brückenplatte stand, wo heute die Sparkasse ihr Domizil hat - die Ridderhofstraße erinnert daran.
Marmelade, Kuchen, Brot und Eier aus dem Hofladen
„Entlang des heute zum Teil unterirdisch fließenden Leither Baches sind der Schaepers Hof, Köllmannshof, Kohlleppel, Reickshof und der Rommberghof wohl wegen der Trinkwasserversorgung entstanden“, berichtet Ridder. Die beiden Erstgenannten sind heute in seinem Eigentum. Der Leither Bach fließt mitten unter dem Garten hindurch, in dem er als Kind gespielt hat.
Der Krayer Volksgarten liegt in Leithe
Wer sich vornimmt, den zehn Hektar großen Krayer Volksgarten zu besuchen, hat eigentlich schon etwas falsch gemacht. Denn der Volksgarten an der A40 liegt gar nicht in Kray, sondern in Leithe. Entwickelt wurde er vom Gelsenkirchener Fabrikanten Wilhelm Munscheid, der für Arbeiter Naherholung schaffen wollte. 1913 wurde der Volksgarten in der damaligen Bürgermeisterei Kray-Leithe eingeweiht. Heute ist er Ort z.B. eines jährlichen Kinderfestes und des Jugendfestes „Kray or die“ Der Naturschutzverein Volksgarten Kray bietet zudem viele Aktionen an.
Sein Stammsitz ist der Schaepershof mit seinem gut besuchten Hofladen. Hier gibt es von Marmelade über Kuchen, Brot und Eiern bis zum selbst angerührten Eierlikör alles, was die Natur in Leithe hergibt oder was sich daraus herstellen lässt. Ridders Hof ist einer von nur noch 45 Vollerwerbs-Höfen in Essen, der Landwirt bewirtschaftet rund 100 Hektar Anbaufläche mit Raps, Weizen, Mais, Erdbeeren und vielem mehr. Rund 90 Prozent sind allerdings gepachtet.
Viel Grün in Leithe ist Ackerland
„Man zittert immer, wenn die IHK Druck macht und die Verwaltung neue Wohn- oder Gewerbegebiete ausweisen will“, berichtet er von der bedrohten Idylle. Denn viel Grün in Leithe ist Ackerland. Wandert man vom Krayer Volksgarten, der in Leithe liegt, vorbei am Schaepershof in Richtung Leither Wassertürme, betritt man auf dem Weg zum Isingpark und den Kleingärten am Nottebaumskamp höchstwahrscheinlich auch den Grund von Christoph Ridder. An den Wassertürmen ist der höchste Punkt zwischen Ruhr und Emscher erreicht. „Das ist doch herrlich hier“, schwärmt er. Die Kühltürme vom Kraftwerk Gelsenkirchen-Scholven, das Dach der Schalker Arena, der Tetraeder in Bottrop, natürlich die Essener Skyline mit RWE- und Evonik-Türmen: Viel bessere Aussichtspunkte gibt es nicht im Revier.
Als die Wohnklötze auf den Feldern wuchsen
Die drei benachbarten Großsiedlungen Isinger Feld (Leithe), Bergmannsfeld (Freisenbruch) und Hörsterfeld (Horst) waren in den 1960er und 1970er Jahren die Antwort auf die Wohnungsnot. In Leithe kaufte die Stadt 1963 das Gut Ising. Auf der Hälfte der Landwirtschaftsfläche baute man die Siedlung Isinger Feld.
„Wenn mein Vater nicht hart geblieben wäre, würde sich hier die Siedlung Isinger Feld II erstrecken“, berichtet Ridder von den Bausünden der 1960er Jahre, während er zum „anderen“ Leithe weiterfährt. Das Isinger Feld als Teil der Essener Oststadt mit ehemals über 5000 Einwohnern ist vom Bevölkerungsschwund betroffen. Die katholische Gemeinde ist weg, der Kindergarten geschlossen, hier hat sich nun die koreanische Gemeinde niedergelassen. Die großen Vermieter Allbau, Gewobau und Private hübschen gerade das Viertel auf.
Essener Stadtteilwappen und ihre Bedeutung
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Das Wappen der Herren von Leithe
Im Leither Wappen verläuft ein, mit drei goldenen Kugeln belegter, roter Querbalken. Dies ist identisch mit dem alten Wappen der Herren von Leithe. Sie gehören zu Essens bedeutendsten Adelsfamilien. Erstmals erwähnt wird Leite – noch ohne „h“ – im Jahr 1019. 1906 bildeten Kray und Leithe eine eigene Bürgermeisterei. 1921 gingen sie in der vergrößerten Bürgermeisterei Kray auf. Als Teil von Kray wurde Leithe dann 1929 in Essen eingemeindet. Einen offiziellen Charakter hatte das Wappen nie. Der Heraldiker Kurt Schweder schuf es Ende der 1980er Jahre.
Für das Leither „Gewächs“ Christoph Ridder hat sich hier ein Kreis geschlossen. Etwas unterhalb der dominanten Hochhäuser hat er rund einen Kilometer von seinem Hof entfernt, den alten Isinghof gekauft und vermietet. „Mittlerweile sind ja einige Politiker wieder offen für regionalen landwirtschaftlichen Anbau.“ Den Grünzug will er auf jeden Fall erhalten: „Ich fühle mich gar nicht so als Eigentümer, sondern eher als Verwalter, der das Ganze nach 35 Jahren weitergibt“, berichtet der 56-Jährige, der den väterlichen Hof 1989 übernahm. Und zum Ganzen gehört eben – zum Glück für die Leither – viel Agrarland. Mit Sohn Christian (25) steht schon die 18. Generation bereit.
Leithe in Zahlen und im Stadtteil-Vergleich
Leithe gehört zu den Dörfern in Essen
6895 Menschen waren Ende 2014 mit ihrem Hauptwohnsitz in Leithe gemeldet. Das ist im stadtweiten Vergleich Platz 37 von 50 – Leithe gehört zu den Dörfern in Essen. Zum Vergleich: Spitzenreiter Frohnhausen kommt auf 31.744 Einwohner. Das benachbarte Kray schafft es mit 19.335 Bürgern immerhin auf Platz 7.
Die meisten Einwohner leben im Isinger Feld
Die ländliche Prägung von Leithe zeigt auch: Die meisten der Einwohner leben im Isinger Feld, der Rest ist sehr dünn besiedelt.
Leithe ist dünn besiedelt
17 Einwohner pro Quadratkilometer belegen dies, im Stadtvergleich ist das Platz 39 von 50. Im dicht besiedelten Spitzenreiter, dem Südostviertel, müssen sich 121 Menschen einen Quadratkilometer teilen. In Kray (Platz 22) sind dies 32 Personen.
Leithe ist ein mittelgroßer Stadtteil
390 Hektar (1 Hektar sind 10.000 Quadratmeter) weisen Leithe als mittelgroßen Stadtteil aus (Platz 22 im Stadtranking). Das Essener B-Zentrum Steele allerdings ist mit 293 Hektar (Platz 34) um einiges kleiner. Der größte Stadtteil im Bezirk VII ist Kray mit 592 Hektar (Platz 9).
Leithe ist landwirtschaftlich geprägt
41 Prozent der Flächen in Leithe werden landwirtschaftlich genutzt. Das ist ein Spitzenwert, der dritthöchste in Essen. Noch mehr Landwirtschaft gibt es nur in Schuir (60 Prozent) und in Byfang (43 Prozent). Hinzu kommen 11 Prozent Parks und Grünanlagen, ein sehr guter Mittelwert in Essen.
Leithe ist wenig bebaut
26,7 Prozent der Fläche ist in Leithe nur bebaut. Auch das ist ein Spitzenwert, nur in Fischlaken (11,6 Prozent), Schuir (12,2 Prozent), Byfang (14,5 Prozent), in Heidhausen (17,5 Prozent) und in Kupferdreh (23,9 Prozent) stehen anteilig an der Gesamtfläche weniger Häuser.
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