Essen. Weil Libanesen die Polizei massiv angreifen, setzte Duisburgs Polizeipräsidentin einen Hilferuf ab. Auch in Essen gibt es mehrere aktuelle Fälle.

Nach einer Phase vermeintlicher Ruhe halten libanesische Familienclans die Ermittlungsbehörden wieder auf Trab. Zuletzt gab es einige Großeinsätze in Altendorf, bei denen die Essener Polizei zum Teil nur mit Verstärkung aus Nachbarstädten sowie mit Einsatz von Gewalt Herr der Lage werden konnte.

Erst vorigen Donnerstag gelangten dort Rettungskräfte und Notarzt nicht zu einem schwer verletzten Kind, da sich gleich nach einem Unfall eine Gruppe Angehöriger um den Jungen geschart hatte, die die Polizeibeamten wüst beschimpfte und anpöbelte. Immer wieder erlebten die Kollegen, dass ihre Autorität nicht anerkannt werde, heißt es bei der Polizei.

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Auch Sozialarbeiter oder Mitarbeiter des Jugendamtes schildern, dass libanesische Familien ihre Angelegenheiten bevorzugt untereinander regeln und staatlichen Stellen misstrauen. Ein Verhalten, das die Clans aus der Heimat mitgebracht und oft nach vielen Jahren in Deutschland nicht abgelegt haben.

Staatsanwaltschaft: Essen internationale Drehscheibe für Geldwäsche

Mitunter reiche es schon, ein Familienmitglied zu beleidigen, „und der Funke springt über“, sagt Polizeisprecher Ulrich Faßbender. Dann neigen die Streitenden dazu, Angehörige hinzuzuholen statt die Polizei zu rufen. Die Beamten erfahren von der Eskalation erst, wenn die rivalisierenden Gruppen schon aufeinander losgehen – und ein besorgter Nachbar zum Hörer greift.

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So war es etwa zu Anfang des Jahres bei mehreren Handgreiflichkeiten in Altendorf zwischen und innerhalb der Großfamilien, zu denen die Polizeikräfte aus Essen und Umgebung anrückten. Die Polizisten fanden bei den Großeinsätzen Messer und eine Schusswaffe, allein die Hintergründe blieben unklar.

Regelmäßig werden libanesische Clans auch mit organisierter Kriminalität wie Prostitution und Drogenhandel in Verbindung gebracht. So kam die hiesige Staatsanwaltschaft im vergangenen Jahr am Rande eines großen Prozesses gegen einen 46-jährigen Libanesen zu der Einschätzung, Essen sei eine Drehscheibe für die Geldwäsche von Einnahmen aus dem internationalen Drogengeschäft.

Polizei Essen: keine No-Go-Areas, keine Ohnmacht

Die heikle Mission der libanesischen Familien Union

Nachdem libanesische Clans sich zu Jahresanfang 2015 mehrfach Handgreiflichkeiten lieferten, meldete sich der Verein Familien Union im März in einem Offenen Brief an die Polizeipräsidentin zu Wort: „Mit Sorge blickt unser Verein auf die jüngsten Konflikte in Altendorf sowie in der Innenstadt, bei denen Polizeibeamte dem Widerstand einiger Personen ausgesetzt waren.“

Man distanziere sich und bedauere die Vorfälle. Man wolle nicht zusehen, „wie der Ruf der großen Gemeinde mit libanesischem Migrationshintergrund zerstört wird“. Darum setze sich der Verein für Integration und Wohlverhalten von Jugendlichen ein, etwa mit Sport- und Bildungsangeboten. Die Familien Union nennt als ihr Ziel, „den sozialen Frieden zwischen Deutschen und Libanesen zu pflegen“.

Ämter und Polizei nutzen die Familien Union durchaus als Netzwerk-Partner. Schon Joachim Wagner wies in seinem Buch „Richter ohne Gesetz“ (2011) aber darauf hin, dass „die kriminelle Energie einiger libanesisch-kurdischer Großfamilien wie ein Mühlstein auf den Schultern der Gesetzestreuen lastet“. Oft könnten die sich „der Kraft der Blutbande nicht entziehen“. Die Zukunft müsse zeigen, „ob es der Familien Union gelinge, Straftäter fernzuhalten und auszuschließen“.

Im Brief an die Polizei hieß es, man unterstütze „Familien und Behörden dabei, Konflikte friedlich zu lösen“. Das klingt gut; doch nicht nur Wagner warnt, es sei problematisch, wenn die Familien Union als Schlichter zwischen Clans und Staat auftrete – und so eine hoheitliche Aufgabe reklamiere.

Für Aufsehen sorgte unlängst ein Fall aus Duisburg-Marxloh, wo zwei Polizisten von einem libanesischen Familienclan attackiert worden waren – und die Lage nur durch Ziehen der Dienstwaffen in den Griff bekommen hatten. Duisburgs Polizeipräsidentin setzte jetzt sogar einen Hilferuf an das NRW-Innenministerium ab; in ihrem internen Bericht soll von No-Go-Areas und einer Ohnmacht gegenüber den Clans die Rede sein. In Essen gebe es beides nicht, sagt die Polizei. Allerdings fühlten sich die Bewohner mancher Stadtteile unwohl, in jüngster Zeit würden bestimmte Ecken von Altendorf gemieden. Da müsse die Polizei deutlich machen: „Wir sind die Ordnungsmacht.“

Auch bei großen Auseinandersetzungen seien nur wenige Beteiligte handgreiflich, während 100 oder mehr Familienmitglieder zugucken. Die erschwerten dann aber den Einsatz, wenn die Polizei anrücke, so Faßbender. Noch gelte aber: „Wir kriegen mehr Kräfte zusammen und stellen klar, dass wir die Regeln bestimmen.“