Essen.. Die Schuldnerhilfe Essen berät auch Insassen im Jugendgefängnis Wuppertal. Das Angebot ist Teil eines landesweiten Pilotprojektes.
Martin Evers ist Schuldnerberater bei der Schuldnerhilfe Essen und rückt einmal in der Woche ins Gefängnis ein. Schuhe aus, Mund auf! Es ist jedes Mal das gleiche Prozedere, wenn er den kühlen Betonbau in Wuppertal-Ronsdorf betritt. Seit November vergangenen Jahres hilft der 38-Jährige jugendlichen Insassen dort, ihre Schulden in den Griff zu bekommen. Und das möglichst, bis sie wieder in die Freiheit entlassen werden.
Bislang war diese Arbeit der Essener Schuldnerhilfe Teil eines landesweiten Pilotprojektes in acht Justizvollzugsanstalten. NRW-Justizminister Thomas Kutschaty hat nun das Beratungsangebot auf alle 36 JVA im Land ausgedehnt, um den Inhaftierten einen besseren Start nach der Zeit im Knast zu ermöglichen. Die Essener haben bereits die Zusage, dass es im September in Wuppertal weitergeht. Für Martin Evers heißt das, dass er künftig wohl häufiger ins Gefängnis muss.
Mit 21 Jahren 50.000 Euro Schulden
In der JVA Ronsdorf sitzen ausschließlich jugendliche Straftäter ein. Ihre Schuldenliste ist meist schon bemerkenswert lang. Im Schnitt haben sie 15.000 Euro Miese angehäuft, einer von Evers Probanden steht mit 21 Jahren sogar schon mit 50.000 Euro bei seinen Gläubigern in der Kreide.
Nicht bezahlte Telefonrechnungen, Schwarzfahrten, Ausstände bei Fitness-Studios sind Schulden, wie sie bei vielen Jugendlichen auftauchen. Doch Evers hat schnell gemerkt, dass es auch spezifische Schulden von „Knackis“ gibt. Viele Betroffene hätten beispielsweise Mietrückstände, weil sie wegen der Inhaftierung ihren Mietvertrag nicht rechtzeitig kündigen konnten. Auch Schadensersatzforderungen von Krankenkassen tauchen häufiger auf und geben Martin Evers dann Hinweise darauf, dass sein Gegenüber wegen schwerer Körperverletzung einsitzt.
Evers selbst fragt nicht nach den Straftaten. Es geht ihm darum, schnell Vertrauen bei seinem Gegenüber aufzubauen. In dem kargen Besucherraum, in dem die Beratung stattfindet, und der von zwei Beamten bewacht wird, kommen meist ohnehin nicht nur die Schulden auf den Tisch sondern auch die Geschichten der jungen Männer. „Viele sind dankbar, wenn sie einfach erzählen können“, sagt Evers, der selbst zwei Jahre in der Bewährungshilfe tätig war und später als Sozialarbeiter bei der Jugendhilfe. „Für uns ist Martin ein Glücksfall, denn die Beratung im Gefängnis würde sicher nicht jeder machen“, sagt Wolfgang Huber, Leiter der Schuldnerhilfe Essen.
Gemischte Bilanz
20 junge Männer hat Martin Evers in den vergangenen acht Monaten betreut. Seine Bilanz fällt gemischt aus, 50:50 sozusagen: für die Hälfte seiner „Kunden“ konnte er Vergleiche mit den Gläubigern aushandeln bzw. erarbeitete für sie einen Insolvenzplan, der ihnen nach einigen Jahren ein Leben ohne Schulden ermöglichen soll. Die andere Hälfte ist abgesprungen oder entlassen worden, bevor die Arbeit von Martin Evers beendet war.
Seine Beratung im Knast hält er unabhängig von Erfolgsquoten für wichtig. Denn er habe den Häftlingen zumindest einen Weg aufzeigen können, wie sie aus den Schulden wieder herauskommen. „Ich bin sozusagen der Vorbote der Entlassung“, sagt Martin Evers.