Essen. . Lena hat gleich drei Mütter: Das kleine Mädchen lebt als Pflegekind bei einem gleichgeschlechtlichen Paar, das sich sehnlichst eine Familie wünschte.
Lena ist immer in Bewegung. Auf ihren kurzen Beinchen rennt die blonde Zweijährige fröhlich über die Wiese, dicht gefolgt von Mami Meike. Mama Claudia nutzt die kurze Pause und gönnt sich eine Bratwurst vom Grill. „Wir können unser Glück immer noch nicht fassen“, sagt sie lächelnd und beobachtet ihre kleine Familie beim Spiel. Seit einem halben Jahr hat sich das Leben des gleichgeschlechtlichen Paares um 180 Grad geändert. Seitdem ist Pflegekind Lena der geliebte Mittelpunkt.
Der Wunsch, eine Familie zu gründen, bestand bei den beiden Frauen schon länger und wurde im Laufe ihrer Partnerschaft immer größer. „Wir haben verschiedene Möglichkeiten durchgespielt und uns dann für ein Pflegekind entschieden“, sagt Claudia Dell’Anna-Ernst. Ein knappes Jahr nach dieser Entscheidung kam Lena. Das Mädchen war bereits mehrere Monate in der Bereitschaftspflege, hatte in seinem kurzen Leben schon verschiedene Bezugspersonen.
„Für uns ist wichtig, dass die Beziehung stimmt“
„Anfänglich hat sie mich nicht aus den Augen gelassen, ist mir permanent gefolgt und hat sich an meine Beine geklammert“, erinnert sich Claudia Dell’Anna-Ernst, „damit ich überhaupt noch was im Haushalt machen konnte, habe ich mir kurzerhand eine Bauchtrage angeschafft, um Lena immer bei mir zu haben.“ Denn körperliche Nähe schafft Vertrauen und gibt Sicherheit. „Wir wussten ja von ihrer Vorgeschichte und wollen ihr das Gefühl geben, dass wir hundertprozentig für sie da sind.“
Dafür hat sich die 40-Jährige, die wie Partnerin Meike als selbstständige Finanzberaterin tätig war, erstmal aus dem Berufsleben verabschiedet, um sich ganz dem Kind zu widmen. Lena hat sich in diesen ersten sechs Monaten schon prächtig entwickelt. Am Anfang hat sie kaum geschluckt, nur flüssige Nahrung zu sich genommen und selten gesprochen. Mittlerweile pendelt sie glücklich zwischen Mami und Mama, entwickelt Essensvorlieben und findet immer mehr Worte.
Unterstützt werden die beiden Mütter von Janine Saint Marie vom Pflegekinderdienst der Stadt. Bei Fragen und Unsicherheiten steht sie dem Paar helfend und beratend zur Seite. „Die beiden sind sehr offen und reflektieren viel“, sagt sie, „das erleichtert auch meine Arbeit.“ Dass es sich um ein gleichgeschlechtliches Pflegeelternpaar handelt, spielt keine Rolle. „Für uns ist wichtig, dass die Beziehung stimmt und die Bereitschaft da ist, sich auf das Kind, das in den meisten Fällen ja schon eine problematische Vorgeschichte hat, einzulassen.“
„Meine Eltern haben vor Freude geweint“
Dass praktizieren die beiden Mütter fast schon vorbildhaft. Neben der emotionalen Zuwendung geben viele Alltagsrituale Lena Sicherheit, dazu gehören auch feste Essens- und Schlafenszeiten. „Unseren Lebensrhythmus haben wir ganz auf Lenas Bedürfnisse abgestimmt.“
Gerade entdeckt das zarte Mädchen immer mehr ihren eigenen Willen, das kann schon mal anstrengend werden. „Da sind wir auch manchmal strenger. Denn wir müssen Lena ja auch erziehen“, sagt Claudia Dell’Anna-Ernst.
Wie haben Freunde und Familie auf den Nachwuchs reagiert? „Wir haben bislang nur große Unterstützung und Rückendeckung erfahren. Alle haben sich für uns mit gefreut“, erzählt Meike Ernst, „und meine Eltern ganz besonders: Sie haben vor Freude geweint“.