Essen. . Die Essener Aidshilfe hat die erste Alten-WG für Schwule in NRW gegründet. Die beiden Bewohner fühlen sich wohl und weniger einsam. Der Verein würde das Angebot gerne ausdehnen.

Emil Rinkewitz (75) und Michael Brunner (53) wohnen seit fast fünf Monaten zusammen in einer Wohngemeinschaft (WG) in Essen – vierte Etage, citynah mit Blick auf den Varnhorstkreisel. Sie teilen sich ein Bad, das barrierefrei ist, und die Küche. Ums Putzen – meist der häufigste Streitpunkt in WGs – müssen sich beide nicht kümmern, das erledigt eine Haushaltshilfe. Ansonsten hat jeder sein eigenes Zimmer und mittlerweile seinen eigenen Rhythmus. Es klappt mit ihrer Alten-WG, die jedoch keine gewöhnliche ist.

Emil und Michael sind homosexuell, und ihre Wohnung ist die erste Alten-WG für Schwule in NRW. Nachdem die ersten Monate gut angelaufen sind, war am Dienstag die offizielle Schlüsselübergabe.

Emil Rinkewitz hatte sich viele Jahre keine Gedanken darüber gemacht, wie er im Alter leben möchte. 20 Jahre lebte er mit seinem Partner zusammen, der jedoch vor fünf Jahren starb. Einsamkeit machte sich breit. Zu seinen beiden Kindern aus einer früheren Ehe hat Emil Rinkewitz keinen Kontakt mehr. Und dann war da der Sturz in der Badewanne, der ihn hilflos zurückließ.

Mittel gegen die Einsamkeit

Seit vielen Jahren hat Emil Rinkewitz Kontakt zur Aidshilfe Essen, in deren Räumen Veranstaltungen für Schwule und Lesben stattfinden, wo man sich unter Gleichgesinnten zum Kaffee und Kuchen trifft und wo man keine „doofen Sprüche“ ertragen muss, wie Emil Rinkewitz betont. Hier erfuhr der 75-Jährige auch, dass die Aidshilfe ein WG-Projekt für ältere Schwule plant. „Eigentlich wäre ich gerne in meiner Wohnung geblieben. Doch man hat mich überzeugt, dass ich dort einziehen soll.“

Seinen neuen Mitbewohner Michael traf er zum ersten Mal wenige Wochen vor dem Einzug. Es passte. Emil, der Kommunikativere, Michael, der Ruhigere. Auch Michael Brunner, der nach einer langen schweren Krankheit aus dem Pflegeheim kam und noch große Gehprobleme hat, hatte Angst vor dem Alleinsein. Für ihn ist das WG-Projekt deshalb eine gute Alternative.

Aidshilfe würde Pilotprojekt gerne ausdehnen

Beide schätzen vor allem die unmittelbare Nähe zum Angebot der Aidshilfe. Morgens schon trinkt Emil Rinkewitz häufig seinen Kaffee im Café iks im Erdgeschoss, mittags gibt’s dort auch eine warme Mahlzeit, nachmittags und abends kommen die Netzwerk-Gruppen zusammen. Dort sind beide unter Gleichgesinnten. Oder wie Michael es ausdrückt: „Man muss hier nicht ständig darüber nachdenken, dass man schwul ist“. Das war auch der Grund, warum sie sich für eine schwule WG als Wohnform entschieden haben.

Die Aidshilfe würde ihr Pilotprojekt gern ausdehnen. „Die Nachfrage ist groß, und wir haben auch schon eine Warteliste“, sagt Projektleiterin Marisa Springborn. Doch dafür braucht die Aidshilfe Partner, wie beispielsweise Wohnungsbauunternehmen. Es gehe nicht darum, Schwule oder Lesben unter eine Käseglocke zu packen. Sondern viele wollten auch im Alter dort sein, wo schwules oder lesbisches Leben stattfindet, meint der Leiter der Aidshilfe, Markus Willeke.