Essen. Der Streik im Erziehungs- und Sozialdienst geht in die dritte Woche. Neben Kitas und Schulen ist in Essen nun auch verstärkt das Jugendamt betroffen.

Der Streik in den Sozial- und Erziehungsberufen geht in die dritte Woche: Für die einen ist es eine Erfolgsgeschichte – für die anderen eine Katastrophe.

Das Streiklokal im Gewerkschaftshaus an der Teichstraße ist auch am Donnerstag um neun Uhr gut gefüllt, die Streikenden zeigen keine Ermüdungserscheinungen: „In Essen sind konstant über 500 Kollegen im Streik“, sagt Christian Uhl, Verdi-Mitglied, Vertrauensmann und Sozialarbeiter beim Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD). Der gehört zum Jugendamt und ging im Streikgeschehen bislang etwas unter – die öffentliche Wahrnehmung gilt den Kitas.

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    Dabei sind auch von den 175 Mitarbeitern bei ASD und Pflegekinderdienst ein Drittel im Streik, Tendenz steigend: „Am Mittwoch haben wir zehn Beschäftigte für die Gewerkschaft und den Streik gewonnen“, sagt Uhl. Menschen, die für Kinderschutz zuständig sind, Familien in Krisen betreuen oder – als letztes Mittel – misshandelte Kinder aus Familien nehmen. Ihre Arbeit ist anspruchsvoll, ihre Qualifikation gut; sie sind studierte Sozialarbeiter und -pädagogen. Ihr Bruttogehalt liegt laut Uhl zwischen 2700 und 4200 Euro. „Wer als Diplom-Ingenieur bei der Stadt anfängt, wird ganz anders bezahlt.“

    Die Hotline läuft heiß

    Wenn die schlechte Bezahlung der Erzieherinnen mit dem fehlenden Studium begründet werde, sei das also fadenscheinig, meint Uhl: „Wir erleben auch eine Kränkung der akademischen Sozialberufe.“ Darum werde man über Pfingsten hinaus für mehr Geld im Sozial- und Erziehungsdienst streiken.

    Schon jetzt seien drei der sieben Bezirksstellen der sozialen Dienste unterbesetzt, sagt der Sprecher des Jugendamtes, Peter Herzogenrath. In Stoppenberg/Katernberg etwa arbeiten nur noch sechs von 23 Kollegen. Erziehungsberatung oder Gerichtstermine müssten womöglich ausfallen. „Ein sensibler Bereich. Es ist aber sichergestellt, dass Personal für Notfälle da ist.“

    Da, wo dringend gehandelt werden müsse, um Kinder zu schützen, sei selbst die Gewerkschaft bereit, Notdienste mit zu organisieren, verspricht Uhl. „Bei Kitas oder im Offenen Ganztag an Schulen werden wir das nicht tun.“ Und so sind derzeit 34 der 48 städtischen Kitas geschlossen; die 29 Notgruppen federn den Bedarf nur unzureichend ab, die Kita-Hotline des Jugendamtes ( 88 51205) laufe heiß, sagt Herzogenrath: „Die Eltern sind es leid, die fragen, wann es vorbei ist.“

    Die Frage beschäftigt auch Nina Lang aus Borbeck, kaufmännische Angestellte und alleinerziehende Mutter von zwei Kindern. Die kleine Tochter ist bei der Tagesmutter, ihr Sohn ergattert tageweise einen der 15 Notplätze für 80 Kita-Kinder. Ansonsten wechselt sie sich bei seiner Betreuung mit einer Bekannten ab oder spannt ihren Vater ein: „Der nimmt dafür Urlaub!“ Ihr eigener Urlaub reiche kaum für die regulären Schließungszeiten der Kita; ihr herumgereichter Sohn (5) sei quengelig, sie selbst entnervt: „Mein Verständnis für die Erzieherinnen geht langsam gegen Null.“