Essen. In den “Mystery Rooms“ in Essen lassen sich Spieler freiwillig einsperren. Durch das Lösen von Rätseln können sie entkommen. Ihr Gegner ist die Zeit.

Ein Trend aus Japan breitet sich in Europa aus: Menschen lassen sich freiwillig in Räume sperren, um dann durch das Lösen von Rätseln den rettenden Schlüssel zu ihrer Befreiung zu finden. Der Gegner: die Zeit. Innerhalb von einer Stunde müssen zwei bis sechs Spieler die Geheimnisse aufdecken, sonst ist das Spiel verloren.

Jetzt gibt es auch den ersten Anbieter eines solchen "Live Escape Games" im Ruhrgebiet. Die "Mystery Rooms" locken Abenteuerlustige mit der Geschichte um das Geheimnis des Kapitäns in ihre Räume nach Essen. Wir haben das neue Freizeitangebot getestet.

"Mystery Rooms" startet mit einem geheimnisvollen Brief

Sie hofft, dass sie uns in 60 Minuten wiedersieht, sagt Besitzerin Vera Winter mit schelmischem Lächeln, bevor sie Christian, Malte und mich einschließt. Noch ehe wir darüber nachdenken können, wie sich das anfühlt, fällt uns ein Brief ins Auge, der auf einem massiven Schreibtisch liegt. Darin erklärt uns der Kapitän, was es mit seinem Verschwinden auf sich hat und gibt uns einen ersten Hinweis.

Schon sind wir mitten ins Spiel gezogen und erkunden den in Seefahreroptik gestalteten Raum nach weiteren Hinweisen. Wenn da nur nicht diese Uhr wäre, die auf einem Monitor in dicken, roten Ziffern gnadenlos runterzählt.

Nur eine Stunde, um zu entkommen

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    Wer nicht weiterkommt, erhält Tipps

    Mitspieler Malte hat am Vorabend extra noch Die drei ??? gehört, um seine Rätselkompetenz zu schulen, doch wie sich herausstellt, sind die Rätsel der "Mystery Rooms" kein Kinderspiel. "Das Spiel ist im Prinzip für Menschen von neun bis 99 Jahren geeignet", sagt Winter. "Jedoch dürfen sich Jugendliche unter 16 Jahren nur in Begleitung Erwachsener der Herausforderung stellen."

    Zum Glück erscheint auf dem Bildschirm auch mal ein Tipp, wenn man überhaupt nicht weiterkommt. Den Schatz finden wir, doch die 60 Minuten reichen uns nicht aus, um die letzten Denkaufgaben zu lösen. Nach fünf Bonusminuten kommt Vera Winter rein und erklärt uns die letzten Kniffe, die wir gebraucht hätten, um aus dem Raum zu entkommen.

    Der Rätselspaß liegt im Trend

    Die Ungarin Vera Winter steckt gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Mike Kleist hinter dem Unternehmen, das auch Filialen in München und im schweizerischen Interlaken unterhält. Die Idee kam dem Paar, nachdem es in Winters Heimatland an einem solchen Fluchtspiel teilgenommen hatte. Die beiden waren von ihrem Erlebnis so begeistert, dass sie auch zurück in Deutschland ihrer Rätselleidenschaft fröhnen wollten. "Ich habe gesucht, doch in ganz Deutschland gab es so einen Laden nicht", erzählt Mike Kleist. "Da habe ich sofort gesagt: Wir machen selber einen auf."

    Im Zimmer des alten Kapitäns warten viele kleine Hinweise, die die Spieler Schritt für Schritt zur Lösung führen sollen.
    Im Zimmer des alten Kapitäns warten viele kleine Hinweise, die die Spieler Schritt für Schritt zur Lösung führen sollen. © Gödde

    Dass sie damit im Trend liegen, veranschaulicht Winter anhand von Zahlen: "Letztes Jahr gab es in ganz Europa drei solcher Läden, heute gibt es allein in München sechs Stück." Die 40-Jährige ist sich sicher, dass der Hype gerade erst anfängt: "Uns liegen Franchise-Anfragen aus Los Angeles, Zürich und Italien vor."

    Unternehmen nutzen Spiel zum Teambuilding

    Die Teilnehmer werden vornehmlich durch Mund-zu-Mund-Propaganda auf die "Mystery Rooms" aufmerksam. Zudem könne das Unternehmen gute Bewertungen auf Ausflugsportalen vorweisen. "Es kommen jedoch nicht nur Touristen, die Spaß haben möchten", berichtet Winter, "Unternehmen schätzen die Challenge als Teambuilding-Maßnahme für ihre Belegschaft." So habe sich bereits eine lokale Zahnarztpraxis sowie ein Friseursalon daran versucht, das Geheimnis des Kapitäns zu lüften.

    Speziell am Wochenende finde auch der eine oder andere Junggesellenabschied im Aufdecken von Geheimnissen eine Alternative zum Trinken. Doch vor allem die Zusammenarbeit mit Unternehmen soll in Zukunft eine größere Rolle spielen. "Wir holen Psychologen und Kommunikationswissenschaftler ins Boot, damit wir die Spiele hinterher besser auswerten können", sagt Winter. Vorstellbar sei, dass Personalchefs künftig auf diese Weise neue Mitarbeiter auswählen. Das Fluchtspiel könnte dann als Assessment-Center dienen.

    Unerbittlich läuft die Uhr ab, nach 60 Minuten ist Schluss.
    Unerbittlich läuft die Uhr ab, nach 60 Minuten ist Schluss. © Thomas Gödde

    Spiel über das Ruhrgebiet ist in Planung

    Demnächst soll es ein Fluchtspiel rund um das Ruhrgebiet geben. Dabei werden sich die Spieler in einer Geschichte wiederfinden, die sich um den Bergbau und die Stahlindustrie dreht.

    Der kreative Kopf hinter den Rätseln ist Mike Kleist. Vier Monate tüftelte er an der aktuellen Kapitänsgeschichte. "Ich habe inzwischen eine Rätsel-Datenbank angelegt, die ich ständig erweitere", erzählt der 41-Jährige. Dann muss er weiter. Die nächsten Menschen wollen eingesperrt werden.