Essen. Mit 15 Monaten in die Philharmonie: Bei Aktionen wie „Schlagfertige Kinder gesucht“ erleben auch die Kleinsten schon die Faszination der Klänge

Und plötzlich wird es still. Das Gebrabbel, das Geknöttere, das Gegluckse verstummt. Wenn auch nur für einige Augenblicke. Frieda lässt den Kugelschreiber, mit dem sie gerade noch gespielt hat, in der Hand ruhen. Jetzt blickt sie gebannt dorthin, wo die Trommeln und Maracas gespielt werden. Mal heftig, mal zurückhaltend, mal schnell, dann wieder langsamer.

Der Orchester-Schlagzeuger Tomislav Talevski spielt in der Philharmonie gewöhnlich für ein erwachsenes Publikum. Heute trommelt er vor Ein- bis Dreijährigen. Sein Sohn Luka hockt auch auf einem dieser roten Sitzkissen, die im RWE-Pavillon für die Kleinen und ihre Eltern ausliegen. Zum ersten Mal erlebt der Zweieinhalbjährige seinen Vater im Konzert. Und muss gleich mal weinen, weil er zu Beginn nicht selbst spielen darf.

Frieda weint nicht, sie wirkt zufrieden. Aber ganz ehrlich, ich war skeptisch. Frieda ist knapp 15 Monate alt. Sie ist glücklich, wenn sie herausfindet, welcher Topfdeckel am lautesten auf dem Küchenboden scheppert. Wenn sie den Salzstreuer schüttelt und es leise raschelt. Warum ein Konzertbesuch? Jetzt schon?

Instrumente aus dem Baumarkt

In der Forschung ist der positive Effekt von Musik auf das Hirn längst bekannt. Auch die Allerkleinsten lassen sich von Klängen berühren und bewegen. Die Baby- und Kinderkonzerte in der Philharmonie sind beliebt und rasend schnell ausverkauft. Matthias Rietschel arbeitet seit fast 20 Jahren als Konzertpädagoge und leitet die Kleinkinderkonzerte. Heute laufe ständig Beschallungsmusik im Hintergrund. Eine Lautstärke, ein Rhythmus. „Aus diesem Schema wollen wir raus“. Denn der Lebenswelt der Kinder entspreche vielmehr der Wechsel von laut und leise, schnell und langsam.

Eulenmusik und Gespenster

Das nächste Konzert für Kinder von drei bis sechs Jahren („Geburtstagsmusik für die Eule“) findet statt am Mittwoch, 22. April, 10.30 Uhr und 16 Uhr (ausverkauft) im RWE-Pavillon.

Gespenster sind das Motto des nächsten Familienkonzerts für Kinder ab sechs Jahren am 6. Juni (11 Uhr) im Alfried Krupp Saal.

Frieda lässt den Kugelschreiber erst los, als sie selbst ein Instrument in die Hand gedrückt bekommt. Klangstäbe aus Plastik. Die sind also spannender als Stifte. Die kann man sich ans Ohr halten, dann rauscht es. „Instrumente gibt’s auch im Baumarkt“, erwähnt Rietschel nebenbei. Das richtet sich natürlich vor allem an die Eltern.

Der schönen Geschichte um die einsame Trommel, die im Orchester fast nie mitspielen darf, die heute aber ihren großen Tag als Solistin hat, kann Frieda vermutlich noch nicht folgen. Aber den Stöcken und Bögen, die auf der Marimba Töne erzeugen. Christopher Deanes beeindruckendes „Mourning Dove Sonnet“ wird parallel mit zwei Schlägeln und zwei Kontrabassbögen gespielt. Der Titel des Stücks ist Frieda wahrscheinlich egal. Aber sie starrt fasziniert Richtung Marimba. Als wolle sie herausfinden, wie Technik und Töne zusammenhängen.

Schlaginstrumente ausprobieren

Am Ende dürfen alle Kinder die Schlaginstrumente ausprobieren. Die kleine Marlene hat eben noch entspannt im Arm ihres Vaters geschlafen. Jetzt stürmt sie mit ihren Schlägeln los. Frieda will nicht von der Trommel weg. Die hat Tomislav Talevski liebevoll auf einer gelben Decke platziert. Genau die richtige Höhe für Frieda, die alleine noch nicht stehen kann. Flache Kinderhände und Klangstäbe schlagen tönend aufs Fell. „Mich erinnert das an meine Kindheit“, sagt Talevski. „So habe ich auch angefangen.“

Als ich mich umdrehe, liegt Frieda neben der Trommel. Nicht schlafend. Zufrieden, voller Eindrücke, platt. Und in guter Gesellschaft.