Essen. . Der Wertverlust der RWE-Aktien und Spekulationen in Schweizer Franken haben das Eigenkapital der Stadt aufgezehrt. Schuld ist nicht allein „Ela“.
Seine Wangen sind blass, ein dicker blauer Schal um den Hals spendet etwas Wärme: Lars Martin Klieve wirkt angeschlagen, als er gemeinsam mit Oberbürgermeister Reinhard Paß im Rathaus zum Pressegespräch bittet. Doch das ist nicht allein seiner angegriffenen Gesundheit geschuldet. Der Brandbrief der Kommunalaufsicht hat Spuren hinterlassen im Gesicht des Stadtkämmerers. Die Generalkritik von Regierungspräsidentin Anne Lütkes am Finanzgebaren der Stadt und ihrer Beteiligungsgesellschaften nimmt Essens oberster Kassenwart auch als persönliche Niederlage wahr. Der Cash-Pool war seine Idee. Dass nun, wo es zu all den schlechten Nachrichten noch weitere zu verkünden gilt, auch noch die Technik streikt, passt ins Bild.
Was Lars Martin Klieve kurz darauf anhand von Schwarzweiß-Fotokopien erläutert, ist nicht weniger als ein Offenbarungseid. Seit dem 31. Dezember 2014 ist die Stadt überschuldet, unterm Strich mit 90 Millionen Euro. Erst 2020 wird das wieder ausgeglichen sein – wenn die Rechnung des Kämmerers denn aufgeht. Hilflos hatte Klieve mit ansehen müssen, dass das städtische Eigenkapital durch den Wertverlust der RWE-Aktien dahinschmolz wie sprichwörtlich sonst nur Eis in der Frühjahrssonne. Hinzu kommen Verluste durch Spekulationen in Schweizer Franken, die erst zum Ende dieses Jahres vollends zu Buche schlagen werden, wenn die Stadt ihre Kredite umgeschuldet hat. In der Bilanz für 2014 findet sich das noch nicht.
Stadt Essen hat 800 Millionen Euro an Eigenkapital eingebüßt
Summa summarum hat die Stadt da rund 800 Millionen Euro an Eigenkapital eingebüßt. Dabei sah es lange aus, als sei man auf einem guten Weg. Wie geduldig Papier ist, offenbart der Blick auf den Haushaltsansatz. Demnach ist die Stadt beim Jahresergebnis 2014 mit 83 Millionen Miesen klar hinter dem selbst gesteckten Ziel zurück geblieben. Kaum halb soviel hätte es sein sollen.
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Dass es anders kam, ist zu einem kleinen Teil auch mit den Schäden zu erklären, die Jahrhundertsturm „Ela“ angerichtet hat und deren Beseitigung die Stadt 19,1 Millionen Euro kosteten. Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer in Höhe von 37,2 Millionen Euro schlagen auch zu Buche. Einen dicken Batzen machen Pensionsrückstellungen mit 39,6 Millionen Euro aus. Dagegen wiegen zusätzliche Ausgaben für die Unterbringung von Flüchtlingen in Höhe von 6,6 Millionen Euro vergleichsweise weniger schwer.
Alles in allem fehlten Klieve am Jahresende rund 132 Euro auf der Habenseite. Mehreinnahmen in Höhe von 91 Millionen Euro konnten das nicht wettmachen.
Kämmerer: zwei Milliarden Euro Schulden bei Beteiligungsgesellschaften
Für das laufende Jahr rechnet der Kämmerer mit einem Defizit von 52 Millionen Euro. Gerade noch drei Millionen Euro sollen es im Jahr darauf sein. Trotz einiger Rückschläge „liegen wir auf Kurs“, bemühte Klieve sich um Optimismus. Aber wie gesagt, Papier ist geduldig.
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Noch hat die Kommunalaufsicht den Haushaltsentwurf für 2015 nicht genehmigt. Über allem schwebt die Unsicherheit über die weitere Entwicklung bei den städtischen Beteiligungsgesellschaften, deren Schuldenstand Klieve auf rund zwei Milliarden Euro beziffert. Das seien „200 Millionen Euro mehr als vor zwei Jahren“.
2014 erstmals seit 1982 wieder Kredite getilgt
Bei all den schlechten Nachrichten ging die eine positive fast unter: 2014 konnte die Stadt erstmals seit 1982 wieder Kredite tilgen und zwar in Höhe von sechs Millionen Euro. Über 20 Millionen Euro hatte der Stadtkämmerer eigentlich für 2014 angepeilt. Am Montag sprach Klieve von „einem guten Anfang“. Wenigstens das.