Essen. Der neue Abwasserkanal des Ruhrgebiets wird derzeit auch in Essen-Karnap verlegt. Ein Besuch in der Röhre, druch die man auch mit einem Smart fahren könnte.

Ein „Emscherschnellweg unter Tage“: So nennen die Verantwortlichen bei der Emschergenossenschaft augenzwinkernd den neuen großen Abwasserkanal des Ruhrgebiets parallel zur A 42, in dem man tatsächlich mit einem Fahrzeug in Smart-Größe auf die Reise gehen könnte. In Karnap sind die Arbeiten für das gewaltige Untertage-Bauwerk angelaufen.

„Der Emscherkanal wird mutmaßlich der größte Abwasserkanal Europas“, stellt Jochen Stemplewski, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft, mit Blick auf das mächtige Loch im Boden auf dem Parkplatz direkt hinter der Zweigertbrücke, fest. Superlative ist der Mann, der als Chef der Emscher-Renaturierung allein in Essen 565 Millionen Euro bis 2020 verbauen wird, gewohnt. Denn wer die alte Köttelbecke vom Unrat befreien und die Abwässer fortan unter der Erde fließen lassen will, der muss viel und tief graben.

In Karnap sind dies hinter der Zweigertbrücke 24 Meter. Es ist also ein gewaltiges Loch, der Durchmesser beträgt 15 Meter, in das die Fachleute ihre 130 Tonnen schwere Riesenbohrmaschine hinabschweben lassen haben. Gegraben wurde es schon 2013. Und auch die beauftragte Kanalbaufirma „Wayss & Freytag“ hat auf den 2,5 Kilometern Essener Emscherstrecke schon ziemlich viel Erde bewegt. Vom Pumpwerk in Bottrop aus haben sie sich 745 Meter weiter zum Karnaper Müllheizkraftwerk gegraben. Dort ging es rund 600 Meter weiter zum aktuellen Schacht. „Wir graben von hier aus in einem Zug exakt 1148 Meter bis zur nächsten Zielgrube in Gelsenkirchen. Mitte 2015 wollen wir da sein“, erläutert Christian Strasser von der Firma „Wayss & Freytag“ eines der längsten Teilstücke des Kanals ohne Unterbrechung überhaupt.

Ende 2016 kommt der Deckel drauf

Rund 60 Meter weit sind Strasser und seine bis zu 500 Kollegen auf der Karnaper Baustelle schon gekommen. Standesgemäß haben sie ihre Grube mit der Schutzpatronin der Bergleute, der Heiligen Barbara, dekoriert. Sie wird in einem kleinen Holzverschlag von einer Funzel beleuchtet. Der Eintritt in den „Kirsten-Tunnel“ – alle Streckenabschnitte werden nach einem anderen weiblichen Wesen in Diensten der Emschergenossenschaft benannt – klappt auch für einen 1,85 großen Menschen ohne Beulen am Kopf. Der Durchmesser beträgt stattliche 2,80 Meter. „Wenn wir hier fertig sind, dann wird wahrscheinlich 100 Jahre lang kein Mensch mehr den Tunnel betreten, überprüft wird er mit einem Roboter“, bemerkt Bauherr Stemplewski. In der dünnen Luft liegt der typische Unter-Tage-Staubgeruch, für den Besuch des Chef steht ausnahmsweise der Bohrer still.

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Der ist ein echter Maulwurf, wühlt sich mit großem Schneiderad in den Karnaper Boden. Über ein kleines Förderband wird das Erdreich dann ans Tunnelende transportiert, in einer Lore vom Kran aus der Grube gewuchtet. Der transportiert auch die Rohrstücke aus Stahlbeton unter die Erde, von denen jedes einzelne 40 Tonnen schwer ist – solide, wie es sich für ein Jahrhundertbauwerk gehört. Insgesamt 500 Stück werden davon am Ende der Bauzeit unter der Essener Erde liegen.

„Aber unseres hier wird dann in Gelsenkirchen sein“, bemerkt Wolfgang Altenhoff, Projektleiter der Emschergenossenschaft für den Karnaper Abschnitt. Er steht exakt am Tunnelende, Pressmaschine „Isabel“ wird in den kommenden Wochen Rohrstück für Rohrstück vom Eingang in den Tunnel drücken, so dass das erste verlegte irgendwann in Gelsenkirchen liegt. Damit es flutscht, sind die Kanalstücke von außen mit einer Spezialpaste eingeschmiert.

Doch auch dann ist in Karnap noch nicht Schichtende. Bis Ende 2016 wird es dauern, bis die Betonarbeiten in der Grube fertig sind und ein Deckel das Loch verschließt. Der Jahrhundertbau braucht noch ein bisschen Zeit.