Essen. In seinem letzten Kabarettprogramm lässt Doktor Stratmann sein Alter Ego Jupp abtreten. „Pathologisch“ ist Rückschau und unterhaltsame Abrechnung.
Langsam, aber sicher verabschiedet sich Doktor Ludger Stratmann. Seine letzte Tournee brachte der Arzt und Kabarettist mit 70 Vorstellungen und 55.000 Zuschauern gerade hinter sich und war „andauernd berührt“, weil es natürlich hieß: Wann kommen Sie denn wieder? Doch nach 20 Jahren ist Schluss mit den Hausbesuchen. „Jetzt müssen die Patienten eben zum Arzt kommen“, sagt er. Mit dem Kneipentheater im WDR soll Ende des Jahres auch sense sein. Redakteurin Dagmar Schwalm sprach mit ihm über sein finales Bühnenprogramm „Pathologisch“, das am Samstag in Stratmanns Theater Premiere hat, das Leben danach und den Tod.
Herr Stratmann, ursprünglich sollte das Programm im Kleingarten spielen. Inspiriert von unserem letzten Gespräch ist es in der Pathologie gelandet. Was hat Ihnen an der Idee so gut gefallen?
Doktor Ludger Stratmann: In einen Sektionssaal passt alles hinein, was ich erzählen wollte: meine Biografie mit der Kindheit in Ostwestfalen und den verschiedenen Berufen, aber auch die Krankheiten von Nachbarn und für Jupp die Möglichkeit, über den Tod zu reden, was ja ein Tabu-Thema ist. Das finde ich klasse.
"Ich will einfach kein Kabarett mehr machen"
Dafür kommt Jupp ums Leben. Tut Ihnen das gar nicht leid?
Stratmann: Nee, überhaupt nicht. Ich will einfach kein Kabarett mehr machen. Jupp hat seine große Popularität gehabt. Jetzt wird er standesgemäß von einem Bierwagen von Stauder in Bottrop umgefahren und sagt: Du merkst nix mehr. Er erzählt von dem Tunnel und dem Licht, das man am Ende sieht, und lässt das Leben Revue passieren. Daraus entwickle ich Geschichten.
Um was geht es?
Stratmann: Um Alltagsthemen: die Sprache des Ruhrgebiets, das Einkaufsverhalten bei Lidl oder Aldi. Ein bisschen Politik ist auch drin.
Und wer bekommt sein Fett weg?
Stratmann: Die Unterhaltungsmacher vom Fernsehen. „Shopping Queen“ nehme ich mir vor. Über Kochsendungen muss geredet werden, Professor Hademar Bankhofer und unsere Wetterkarten. Ich will nicht wissen, wie um 2.47 Uhr das Wetter auf Hiddensee ist. Aber auch über einige Kabarettkollegen, die Weltverbesserer, mache ich mich lustig. Beim letzten Programm kann ich mal das Nest beschmutzen.
Darüber lachen, ist das eine. Darf auch über den Tod gelacht werden?
"Noch zwei, drei Jahre, dann ist Schluss"
Stratmann: Natürlich. Wer einen Grund zum Lachen hat, sollte das tun. Jupp sagt ja auch: Der Pathologe ist der einzige Arzt, für den man keinen Termin braucht.
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Stratmann: Ich mache noch zwei, drei Jahre, dann ist Schluss. Beim Fernsehen am Ende des Jahres. Ich bin 66. Andere haben schon viel früher aufgehört. Was mich aufrechterhält, ist der Gedanke, mal am Tag nix vor der Nase zu haben.
Was möchten Sie Ihren Zuschauern mit auf den Weg geben?
Stratmann: Dass sie keine Angst vor dem Tod haben müssen. Dat is eben so.
Wie könnte Ihr Leben ohne Bühne aussehen?
Stratmann: Ich hätte Spaß, noch für andere zu schreiben, zum Beispiel für unser Theaterensemble. Ansonsten würde ich gerne Möbel rücken, auf Reisen gehen - mal nach London oder mit dem Schiff nach Norden - einfach meinem Auge etwas bieten. Und endlich mal wieder was lesen.
Hat Ihre Frau keine Ansprüche?
Stratmann: Die hat den Anspruch, dass ich sie beim Lesen in Ruhe lasse.
"Ich habe keine Angst vor dem Tod"
Als Arzt im Krankenhaus und in Ihrer Bottroper Praxis mussten Sie mit Patienten über den Tod sprechen. Fiel Ihnen das schwer?
Stratmann: Ich konnte immer offen reden, ohne verletzend zu sein. Nur bei Kindern hätte ich das nicht gekonnt. Das hätte mich emotional zu sehr mitgenommen.
Haben Sie Menschen aus Ihrem privaten Umfeld in den Tod begleitet?
Stratmann: Meinen Schwiegervater habe ich versucht, zu reanimieren. Meine Mutter habe ich mitbegleitet. Ich habe die Horrorvision vom Tod nicht so.
Wie stehen Sie zur Sterbehilfe?
Stratmann: So ernst wird es in meinem Programm nicht. - Aber wenn jemand sterbenskrank ist, sollte er das für sich allein entscheiden dürfen. Es hat etwas mit Selbstbestimmung zu tun. Das sehe ich aufgrund meiner liberalen Denkweise so. Als Arzt habe ich nur gemacht, was einwandfrei war und habe darunter gelitten. Ich bin dafür, dass Ärzte straffrei ausgehen, die sich mit ihren Patienten verständigen.
Haben Sie Angst vor dem Tod?
Stratmann: Ich habe keine Angst vor dem Tod, nur vor dem Dahinsiechen, vor Schmerzen. Und ich möchte nicht zu viele Vorstellungen ausfallen lassen müssen.
Haben Sie einen Organspendeausweis?
Stratmann: Ja, seit 1983. Aber seit ich meinen Schrittmacher habe und Medikamente nehme, will meine Organe eh keiner mehr haben.
Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod?
Stratmann: Diese Frage, die wir nicht beantworten können, stelle ich mir nicht. Wenn Ende ist, ist Schicht im Schacht.