Essen. Von der Arztpraxis ins Europahaus: Kabarettist Ludger Stratmann hat das Europahaus zum florierenden Familienunternehmen gemacht. Sohn Philipp Stratmann leitet das Theater, seine Lebensgefährtin managt das angeschlossene Restaurant. “Theater und Gastronomie gehen nur mit der Familie“, sagt Stratmann.
Ludger Stratmann kann sich noch gut an den Juli 1994 erinnern. Mit seinem Bruder Christian hatte er das ehemalige Amerikahaus und heutige Europahaus gepachtet, um dort ein Theater und Gastronomie einzurichten. Und dann wurde umgebaut. „Es war eine harte Zeit. Wir wurden jeden Tag mit neuen Katastrophen und Kosten konfrontiert. Ich hatte noch die Praxis in Bottrop und fragte mich schon: Warum tust du dir das an?“, erzählt der studierte Mediziner. „Jetzt denke ich, es war ein absoluter Glücksfall“ - obwohl ihn die geringe Wertschätzung der Stadt Essen manchmal ärgert.
Sein Leben wurde total umgekrempelt. „Ein Jahr später war ich Gast in meiner eigenen Praxis und stand als Kabarettist auf der Bühne. Meine Frau war nicht begeistert, aber sie hat mich gelassen. Bei uns konnte jeder machen, was er wollte“, so Ludger Stratmann, der seinen Nachwuchs nicht dazu verdonnerte, in seine Fußstapfen zu treten. Tochter Anna machte kein Abitur, wurde Krankenschwester und bekam drei Kinder. Inzwischen erledigt sie die Büroarbeit für den Vater. Sohn Philipp brach sein Politikstudium in Münster ab, mit dem er eigentlich mal bei einer Stiftung in Lateinamerika landen wollte. „Ich hatte mir ein abenteuerliches Leben für mich vorgestellt. Das habe ich ja jetzt auch“, meint er trocken.
Zweite Eigenproduktion im Herbst
Als sein Onkel Christian Stratmann 2003 aus dem kleinen Unternehmen gen Wanne-Eickel auszog, war er der Notbehelf. 2004 wurde er mit Ende zwanzig Geschäftsführer von Stratmanns Theater. Seine Lebensgefährtin managt nun das Restaurant Leos Casa. „Theater und Gastronomie gehen nur mit der Familie, mit Menschen, denen man vertraut“, stellt Ludger Stratmann fest, der mit acht Geschwistern aufwuchs.
Die neue Spielzeit
Die neue Komödie bei Stratmanns ist eine Eigenproduktion und heißt „Stramme Jungs“ (ab 24.10.). Die Geschichte von den gescheiterten Existenzen aus „Mädelsabend“ wird weitererzählt. Diesmal ist die rettende Idee eine Travestie-Einlage.Kabarettisten und Comedians sind wieder zu Gast: Hennes Bender „Klein/Laut“ (20.9.), Frank Goosen „Heimat, Fußball, Rockmusik“ (30.9.) und „Krippenblues“ (3. und 7.12.), Kai Magnus Sting „Immer is was (31.10., 1.11.) und „Unter Weihnachtsmännern“ (8. und 9.12.), Ass-Dur „3.Satz - Scherzo spirituoso“ (10.10.), Fritz Eckenga „Von vorn“ (7.11.), Horst Schroth „Null Fehler - Lehrer Laux“ (22.11.) und Fatih Çevikkollu „Fatih Tag“ (27.11.).Karten unter: 8 20 40 60
Philipp Stratmann lernte seinen Job im Tagesgeschäft. „Große Fehler sind mir nicht passiert. Vielleicht habe ich mal auf das falsche Programm gesetzt“, sagt er. Heute weiß er, dass „Kabarett und Comedy mit Ruhrgebietsbezug, Künstler, mit denen wir uns verstehen, und mein Vater als Stütze am besten funktionieren“. Zudem konnte er die Schauspielsparte ausbauen. Im Herbst feiert die zweite Eigenproduktion Premiere.
Abschiedstournee im Januar 2015
Das Resultat: zuletzt eine Auslastung von 90 Prozent. „Es war eine der erfolgreichsten Spielzeiten in der fast 20-jährigen Geschichte des Hauses mit 180 Veranstaltungen und rund 45.000 Zuschauern“, erläutert der 37-Jährige. „Wir gehören zu den wenigen Theatern in der Größenordnung (290 Plätze), die ohne Subventionen auskommen“, betont sein Vater. Das hätte er ohne die kabarettistische Karriere kaum geschafft. Ebenso wenig wie die Erhaltung des denkmalgeschützten Gebäudes, in das er 700.000 Euro über die Jahre investierte, unlängst allein 200.000 Euro für das Dach.
Im Juli 2014 weicht nach zwei Jahren das Gerüst dieser Renovierung und Ludger Stratmann lobt den Junior, der ihm den Rücken freihält: „Strukturelles Denken ist seine Qualität. Der setzt seine Ideen durch. Dass er das Europahaus weiterführt, finde ich klasse.“ Denn auf die Abschiedstournee folgt im Januar 2015 zum 20-jährigen Bestehen des Europahauses das sechste Bühnenprogramm des Doktors. „Es wird mein letztes werden“, prophezeit er.
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Interview mit Ludger Stratmann - „Ich will nicht als Greis auf der Bühne stehen!“
Herr Stratmann, Sie sind 66 geworden. Fängt das Leben nun an?
Ludger Stratmann: Die Freude ist begrenzt. Ich habe heute das, was früher meine Patienten hatten. Meine Auftrittssequenz haben andere nicht in 20 Jahren. Dafür zahle ich körperlich.
Sie sind dieses Jahr auf Abschiedstournee und wollen dann nur noch im Europahaus auftreten. Was hat sich für Sie geändert?
Ludger Stratmann: Vor zwei Jahren habe ich einen Schrittmacher bekommen und habe mein Leben nicht geändert. Erst gab es nur die Praxis, dann nur das Kabarett. Ich bin 20 Jahre privat zu nix gekommen.
Ihr sechstes Soloprogramm soll auch ihr letztes werden. Warum?
Ludger Stratmann: Das Programm hält zwei Jahre. Dann bin ich 68. Das reicht. Ich will nicht als Greis auf der Bühne stehen.
Sie wollen jetzt auf der Bühne böser werden. Wo wird Ihr Programm spielen, bei der Leichenschau?
Ludger Stratmann: Sektionsraum. Geniale Idee. Es gab mal einen Rechtsmediziner an der Uni. Wenn der erzählt hat, war das Kabarett pur.
Und was kommt dann?
Ludger Stratmann: Die ersten Monate Möbel rücken, reisen, ein Buch lesen, mal gucken.
Philipp Stratmann: Das wird schwer werden mit dem Aufhören.
Ludger Stratmann: Das Leben fängt für mich nicht an. Ich bereite mich die nächsten 25 Jahre auf mein Ableben vor.
Philipp Stratmann: Was du machst, machst du gründlich.
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