Essen. In Zügen der Linien RE 1 und RE 6 Richtung Essen werden Fahrgäste seit einigen Wochen besonders häufig um Geldspenden gebeten. Bahn: „kein generelles Problem.“
Unangenehm und lästig. So empfindet Sandra Kurt ihre täglichen Fahrten im Regionalexpress mittlerweile. Kaum eine Fahrt nach Essen vergehe, ohne dass sie angebettelt werde. Die Maschen im Zug sind vielseitig, die Gesichter der Umherziehenden sind den täglich Reisenden meist schon bestens bekannt. Kurt und die anderen Passagiere in RE 1 und 6 begegnen freundlichen „Becherhaltern“, fidelen Musikern mit Akkordeon, aber auch aufdringlichen, organisiert vorgehenden Gruppen.
Seit einigen Wochen, so die Berufspendlerin, sei es besonders schlimm. Fast jeden Morgen werde sie im Zug angesprochen. Unangenehm findet sie an dieser Form der Bettelei, dass sie den Bittstellern anders als in der Fußgängerzone nicht aus dem Weg gehen kann: „Manchmal gebe ich schon Spenden am Bahnhof oder beim Einkaufsbummel. Dann entscheide ich mich selbst dazu, weil mir jemand Leid tut, und dann gehe ich auf diese Person zu. Aber ich kann es einfach nicht leiden, wenn mir jemand einen Becher direkt unter die Nase hält, mich persönlich anspricht und auf einer Spende beharrt.“
Aggressives Betteln habe stark zugenommen
Dieses aggressive Betteln habe auf der Hauptverbindung im Ruhrgebiet stark zugenommen, berichtet auch Fahrgast Anna Kowalski : „Auf der Strecke bis Essen lösen sich an manchen Tagen sogar die Trupps ab, die Musikanten steigen aus, und in Bochum steigt der nächste mit einer Mitleidsmasche ein. Das ist schon ziemlich nervig. Sowas hatte ich bislang immer nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln im ärmeren Ausland verbunden“, sagt die Pendlerin.
DB-Aufruf: „Kein Geld für Bettelmusikanten!“
Das Problem aggressiver Bettler in Regionalzügen und S-Bahnen hat sich auch in Metropolen wie Berlin und München in jüngster Vergangenheit ebenfalls verschärft. In der bayerischen Hauptstadt starteten Verkehrsbetriebe und Bahn eine Kampagne gegen organisiertes Betteln. Motto: „Kein Geld für Bettelmusikanten!“ Man müsse „Bettlern die Geschäftsgrundlage entziehen“.
Fahrgäste, die sich belästigt fühlen, sollten Fahr- oder Sicherheitspersonal ansprechen oder die Notfallsäule betätigen. Bettelei und Musizieren in S-Bahnen sei verboten, das Sicherheitspersonal angewiesen, Bettelmusikanten aus den Fahrzeugen und den Stationen zu verweisen.DB und MVG versichern: „Im Wiederholungsfall droht Hausverbot oder sogar eine Anzeige.“
Neuerdings, berichtet Bahnfahrer Kevin M., laufe auch ein Bettler mit einem Schild zum Auseinanderfalten durch seinen Regionalexpress der Linie RE 6. Darauf stehe geschrieben: „Ich bin halbseitig gelähmt und habe Familie und Kinder“. Kevin ist Student und fährt jeden Morgen im „Westfalen-Express“ von Bochum nach Essen. „Der Mann sagt nichts, lächelt freundlich und hält einem nur den Zettel hin“, berichtet er. „Viele falten den Zettel auseinander und geben dann was. Mein Kumpel auch. Er meint, wenn so viele was geben, dann wäre es doch irgendwie unhöflich, es nicht zu machen. Mich nervt das aber nur, ich will meine Ruhe haben.“
Hausordnung verbietet Belästigung
Nach der Hausordnung der Deutschen Bahn sind das Betteln und das Belästigen von Personen nicht gestattet. Ein Bahnsprecher sagt auf Nachfrage zu den Vorfällen in den Regionalzügen rund um Essen: „Ein generelles Problem ist uns – auch auf vereinzelten Linien – nicht bekannt.“ Gleichwohl betont er, dass im Öffentlichen Personennahverkehr eben anders als im Flugverkehr nicht jeder Passagier kontrolliert werden könne. Und wenn das Bahnpersonal in den Zügen erfahre, dass Bettler mitfahren, „erfolgen Durchsagen an die Fahrgäste“, erklärt der Unternehmenssprecher. „Dann warnen wir vor Bettel-Banden und appellieren auch an die Passagiere, kein Geld zu geben und auf ihre Wertgegenstände zu achten.“