Essen. Bei Verdi landen vermehrt Hinweise auf Verstöße gegen den neuen Mindestlohn in Essen. Die Gewerkschaft droht auffällig gewordenen Firmen mit Anzeige.
Bei der Gewerkschaft Verdi mehren sich die Hinweise auf Verstöße gegen den Mindestlohn in Essener Unternehmen. Zudem gebe es bereits erste Indizien, wie Firmen derzeit versuchen, den Mindestlohn zu umgehen. „Das betrifft im Grunde die ganze Palette des Dienstleistungsbereichs“, sagte der Verdi-Geschäftsführer Lothar Grüll bei einer ersten Zwischenbilanz.
Er kündigte an, Verstöße konsequent bei den Ermittlungsbehörden anzuzeigen. „Wir wollen einen fairen Wettbewerb, der nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird“, sagte er. Arbeitnehmer sollten sich bei der Gewerkschaft melden. „Wir sichern jedem Anonymität zu“, so Grüll.
Zwei Branchen im Fokus: Einzelhandel und Call-Center
Besonders im Fokus hat Verdi derzeit den Einzelhandel und die Call-Center-Branche, wo es auch vermehrt Anfragen Betroffener gibt. „Im Einzelhandel betrifft das besonders Firmen, die nicht tarifgebunden sind“, heißt es.
Grüll berichtet des Weiteren von einem Call-Center-Betreiber, der seinen Mitarbeitern erklärt haben soll, dass der neue Mindestlohn für sie nicht gelte. Außerdem gibt es derzeit offenbar Bestrebungen bei Firmen, die Arbeitsverträge so zu ändern, dass die Call-Center-Beschäftigten zwar ein höheres Festgehalt bekommen, dafür aber der variable Anteil gekürzt wird. Am Ende bleibt dem Einzelnen nicht mehr in der Tasche als vorher. Auch die Kürzung von Urlaubstagen sei ein Thema.
Angebot eines "Mindestlohn-Checks"
Die Namen der schwarzen Schafe nennt Verdi derzeit noch nicht. Man werde zunächst versuchen, mit den Unternehmen ins Gespräch zu kommen. Zunächst für Beschäftigte im Einzelhandel wird Verdi im Februar einen „Mindestlohn-Check“ anbieten. Die Sprechstunden finden am 18. Februar und am 26. Februar statt. Auch für den Call-Center-Bereich ist dies geplant. Die Gewerkschaft geht davon aus, dass sich Hinweise auf Verstöße noch mehren werden, wenn die ersten Lohnabrechnungen im Februar vorliegen.
Beim Essener Unternehmensverband (EUV) wehrt man sich gegen den Generalverdacht, in den ganze Branchen derzeit geraten. Gleichzeitig warnt der EUV Verdi aber auch davor, einzelne Unternehmen an den Pranger zu stellen. „Das sind mittelalterliche Methoden“, sagte EUV-Hauptgeschäftsführer Ulrich Kanders. Er berichtet von einer großen Verunsicherung in den Firmen, Fehler zu machen. Die häufigsten Fragen, die beim EUV landen, beziehen sich auf die Entlohnung von Praktikanten und Minijobbern. Unsicherheiten gebe es zudem, ob Zuschläge oder Einmalzahlungen mitberücksichtigt werden dürfen. Kanders räumt derweil ein, dass Firmen derzeit versuchen, Dinge „zu optimieren“. Von einem „Umgehen des Mindestlohnes“ könne nicht die Rede sein.